Füssener Heimatzeitung Nr. 173

57 Füssener Heimatzeitung Nr. 173 vom April 2019 Fortsetzung auf Seite 58 Gustls große Freude Was dem Lehrer als weiteres Hin- dernis vorgekommen war, fand der Köhler-Hans nicht weiter schlimm. Das Kohlebrennen war zwar unbeliebt und eine schlaf- raubende, langwierige Angele- genheit, aber dennoch gut be- zahlt. Dem Köhler war der Junge ans Herz gewachsen und er er- klärte sich bereit, das Lehrgeld für die Woche zu bezahlen. Ach, wie sich der Junge freute! Er umarmte seine beiden erwach- senen Freunde mit Freudentränen im Gesicht und sprang vergnügt und euphorisch durch den Raum. Dass der Geigenbauer ihn nach der Probezeit nicht aufnehmen könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Und der Junge sollte Recht behalten. Böden und Decken schleifen Eine erste Lehrwoche wird von den Meistern des Handwerks meist sehr eintönig gestaltet. Die Werkstatt fegen, tagelang Holz schleifen oder ähnlich langwie- rige, langweilige Tätigkeiten. Da- mit prüft ein Meister die Geduld und Demut seines Lehrbuben. Doch nicht nur diese Eigenschaf- ten waren es, die letztlich für den Gustl sprachen. Der Bub hat- te zwar mit Geduld überhaupt kein Problem – wer monatelang mit Ziegen hauste, wusste sich selbst zu unterhalten – doch es waren seine Schnitzfertigkeiten, die den Geigenbau-Meister dazu bewogen, den Lehrjungen nicht mehr widerwillig, sondern mit der Gewissheit, einen guten Fang gemacht zu haben, aufzuneh- men. Gustl hatte nämlich, wäh- rend er an den gewölbten Böden und Decken für den Korpus der Geigen schliff, sich genau ein- geprägt, welche Muster der Meis- ter in den Steg seiner Geigen zu machen pflegte. Was den Gustl zum Lehrbuben machte Der Gustl hatte schon viel Erfah- rung mit Schnitzereien gesam- melt, auch schöne Ornamente konnte er schnitzen, aber das dünne Holz war trotzdem eine große Herausforderung für ihn. Zwei der Stücke, die er im Rest- holzlager gefunden hatte, wan-  Der aus zwei Teilen geleimte Boden der Geige musste fein geschliffen werden. Bild: Füssener Heimatzeitung