Füssener Heimatzeitung Nr. 205

65 Füssener Heimatzeitung Nr. 205 vom Juni 2021 / I Verstorbenen zugleich einen prak- tischen Zweck, nämlich den eines Steges. Manchmal lagen zwei oder drei solcher Bretter neben- einander. War die Inschrift ab- getreten oder verwittert, so wur- den die Bretter entfernt. Dieser schöne Brauch schlief mit der Moosentwässerung allmählich ein (1888/93). Volkskunde Vom Kult der Totenbretter stam- men die heute fast vergessenen Volksausdrücke wie "Auf'n Schra- ge kumme", Sie liegt "auf'm Bo(u)m" (Baum), Er liegt "auf'm Lade", "Auf's Brett kumme" u.a.m. Sie meinen alle soviel wie "ge- storben" oder "sterben" bzw. die Art der Aufbahrung. Manchmal erfolgte die Aufbahrung auch so, dass der Verstorbene sitzend auf einen Stuhl gebunden wurde und erst später dann auf ein Brett ge- legt wurde. Zu den ältesten Be- zeichnungen für die Leichenbret- ter zählt der Ausdruck "Reebrett" oder auch "Rechbrett". Dieser Name führt auf das althochdeut- sche Wort "reo" für Leichnam zu- rück. Das Wort kann als Hinweis für das Vorhandensein dieser Aufbahrungsart bereits in altba- juwarischer Zeit gesehen werden. Im ersten Teil des Nibelungen- liedes (= mittelhochdeutsches Epos um 1200) heißt es bei Sieg- frieds Tod: "man wuosch im sine wunden/und leit in uf de re..." = man wusch ihm seine Wunden und legte ihn auf den Re, d.h. auf das Leichenbrett. Seit dem 17. Jahrhundert finden sich teilweise auf den Leichen- brettern ausführliche Inschriften, Gebete, Gebetsaufforderungen, Segenswünsche und erbauliche Verse. Die früher weite Verbreitung der Totenbretter reichte von der Schweiz durch Mitteleuropa bis nach Rußland. In Österreich war der Brauch besonders in Tirol, Salzburg und Oberösterreich in Schwung. Eine besondere Pflege und starke Verbreitung fanden die Leichenbretter im östlichen Bayern (Bayerischer Wald) mit Ausläufern auf fränkisches Gebiet und im Böhmerwald. Teilweise werden Totenbretter jetzt als Kunstobjekte neu angefertigt und in Kunstauktionen und Ausstel- lungen gezeigt. ■  Totenbretter gab es auch in Lermoos, unterhalb der Zugspitze. Bild: Füssener Heimatzeitung

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