Füssener Heimatzeitung Nr. 189

178 Füssener Heimatzeitung Nr. 189 vom Mai 2020 „Da sind sie alle aus Füssen und Umgebung gekommen, um zu tanzen. Walzer, Twist … heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen“, erinnert sich der Kir- chenmesner. Auch er war mal Hauptmann, so nannte man den ältesten Schulbuben imDorf. Von der ersten bis zur achten Klasse Volksschule werden die jungen Pinswanger „Scheibenbuben“ ge- nannt. Sie haben gemeinsammit demHauptmann Sorge zu tragen, dass das Holz für den Scheiter- haufen gesammelt wird und die Hexe in Lumpen angezogen ist. Sie muss streng bewacht werden, damit sie die Dorfjugend nicht stiehlt – das wäre nämlich keine gute Sache. Die Funkenhexe Um das Thema Funkenhexe zu verstehen, muss man weit aus- holen. Leider erweckt das Ver- brennen der Funkenhexe Bilder, die mit der Hexenverfolgung und deren Hinrichtung verbunden sind. In Pinswang wurde jedoch keine einzige Frau hingerichtet oder verbrannt. Tatsächlich geht es hingegen um ein Ritual, bei der die Kornmutter als Hüterin der Landschaft in der Form einer Strohpuppe dargestellt wurde. Die Strohpuppe wurde aus dem Stroh der letzten Ernte gebunden und stellte eine Art Opfer an die Natur und den Kreislauf des Le- bens dar, indem sie verbrannt wurde. Die Asche des Feuers wur- de dann in früheren Zeiten auf die Felder verstreut, um die Fruchtbarkeit der Felder wieder zu wecken und so eine Verbin- dung zur nächsten Ernte herzu- stellen. Damit war der Jahreskreis geschlossen. Nach demBetläuten um 18:00 Uhr versammeln sich  Blick hinauf zum Scheibenbichl. Bild: Elisabeth Wintergerst die Buben um den Hauptmann (den ältesten Schüler) und ziehen in einer Prozession durch das Dorf. Von dort geht es zumSchei- benbichl neben dem alten Gast- hof Schluxen, wo das Funkenfeuer angezündet wird. In anderen Or- ten wird die Figur der Hexe sogar mit Schießpulver gefüllt, um sie explodieren zu lassen. Leider füh- ren derartige Reizüberflutungen von der ursprünglichen Bedeu- tung des Brauches weg. In Pins- wang wird der Brauch schon sehr lang gepflegt, ohne irgendwel- ches Spektakel. Gerade diese Ur- sprünglichkeit macht Pinswang so anziehend, dass auch aus dem Allgäu gerne Leute in diesen kleinen Ort kommen. ■ Fortsetzung von Seite 177

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