Füssener Heimatzeitung Nr. 182

96 Füssener Heimatzeitung Nr. 182 vom Dezember 2019 Für jeden gab es nur ein Geschenk Zuhause wurde der Christbaum in der Stube aufgestellt und wäh- rend die Mutter beim Kochen war, wurde er von den Kindern geschmückt und festlich herge- richtet. An den Baum wurde das Lametta gehängt, das schon seit Jahrzehnten benutzt wurde und immer wieder nach Weihnachten sorgfältig zusammengetragen, eingepackt und verstaut wurde. Sonst gab es nur noch kleine rote Äpfel, die mit einer Schnur an den Baum gehängt wurden. Unter den Baum wurden die Ge- schenke gelegt. Für jeden gab es damals nur ein Geschenk. Gegen Mittag des Heiligabends versam- melte sich die ganze Familie Keller in der Füssener Straße 3 in Lech- bruck, um gemeinsamWeihnach- ten zu feiern. Die Stube war mit selbstgemachten Bienenwachs- kerzen beleuchtet, dazu wurden Weihnachtslieder wie „Stille Nacht, Heilige Nacht“, gesungen. Es gab Tee zum Trinken, an die- sem Tee konnte man sich aber auch die Hände wärmen. Zum Naschen gab es „Gruiba-Leabla“, das waren Plätzchen aus den Resten des benutzten Schweine- fetts. Wahrscheinlich würde das heute niemand mehr essen. Die Vielfalt an Nüssen wie heute an Heiligabend auf den Tischen gab es noch nicht. Nur von den Kin- dern selbst gesammelte Hasel- nüsse und Bucheckern lagen zum Verzehr bereit in einer Schale. Aus alten Pullovern einen neuen stricken Einige Familienmitglieder beka- men einen neuen selbstgestrick- ten Pullover geschenkt, ja, neu war er nur zum Teil, denn damals wurden die alten Pullover oft auf- getrennt und aus der Wolle ein neuer Pullover gestrickt. Die große Freude über solch einen Pullover würde es heute sicherlich nicht mehr geben. In so einem selbst- gestrickten Pullover steckte aber ganz viel Liebe und Heimat und machte die beschenkten Men- schen tief glücklich. Es hatte gar nicht geschneit In Erinnerung blieb Ottilie Schnei- der, geb. Keller, dass sie in die- sem Jahr einen kleinen grau- schwarzen Regenschirm bekom- men hatte. Noch nie hatte sie in ihrem Leben einen eigenen Re- genschirm besessen. Voller Glück lief Ottilie gleich vor die Haustüre und spannte den Regenschirm weit auf. Den ganzen Weg zur Christmette war der Regenschirm offen und fest in Ottilies Händen, obwohl es gar nicht regnete oder schneite. Auch während der Mes- se blieb der Schirm aufgespannt, denn Ottilie sah es gar nicht ein, ihn wieder einzupacken. Auch die Tage nach Heiligabend bekam man die kleine Ottilie nur noch mit ihrem Regenschirm zu Ge- sicht. Fortsetzung von Seite 95  Ein selbstgestrickter Pullover machte die Menschen tief glücklich. Bild: Füssener Heimatzeitung

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