Füssener Heimatzeitung Nr. 182

69 Füssener Heimatzeitung Nr. 182 vom Dezember 2019 Jahreszeit und auch für die Ver- bindung zu den Ahnen. Die roten Gewänder der Bärbele bestehen aus lauter Stofffetzen der Ahnin- nen. Man umhüllte sich mit den Ahnmüttern als Schutz, aber auch als Kraftpotential. Auf einer sub- tilen tieferen Ebene laufen somit die Ahnmütter mit bis hin zur Ur- mutter Bethe, aus der alles Leben kommt. Von dieser Urmutter stammt noch unser heutigesWort „beten”. Sich mit der Urmutter zu verbinden, war „beten”. Diese Gewänder sind ein Symbol des Geborenseins aus den eigenen Ahnmüttern und damit des Auf- gehobenseins und Geborgenseins in dem großen Netz der Ahnen. Die Masken sind selbstgemacht und verkörpern die Wildheit und Ungezähmtheit des Lebens in al- len Facetten. Sie sind auch ein Symbol für die Entpersonalisie- rung und die Wesenhaftigkeit der Einzelnen. Die Ruten, die die Bär- bele schwingen, bestehen aus Lechweidenzweigen. Wie schaut so ein Bärbeletreiben aus? Wenn man die Bärbele so an- schaut, dann lärmen und schreien sie durch die Stadt, berühren Häuser und Menschen mit ihren Ruten und gebärden sich ganz wild und weiblich hysterisch. Da- hinter steht ein tranceartig-ma- gischer Verschmelzungsprozess der Bärbele mit der Göttin Percht zu einemmächtigen, numinosen Wesen, das einerseits völlig „ver- rückt” und sinnlich wahnsinnig, andererseits aber auch mütterlich und segnend durch die Stadt fegt, mit Ruten sowohl Häuser als auch Menschen streift, strei- chelt, bis sinnlich berührt. Die dem Brauch zugrundeliegende Bedeutung ist der Segen der Gro- ßen Göttin. Alles, was die Bärbele berühren, berührt die Göttin, da sie eins sind. Somit tragen sie die Göttin Percht durch die Stadt, durch alle Straßen, an allen Häu- sern vorbei, und alle Menschen werden durch ihren Zauber und die Teilhabe an diesem Gesche- hen mit verzaubert. Es ist wie ein zutiefst lebendig-magischer Hauch aus einer anderen Welt, der einen streift. Das Wesen der Bärbele ist ein gänzlich anderes als das der Kloasa und sie be- rühren die Seelen der Menschen auf einer ganz eigentümlichen, tiefen, mythischen und oft schon gänzlich verschütteten Ebene, dort, wo die Menschen sich von der Göttin berührt, geliebt, ge- tragen und behütet fühlen. Wie viel Glanz in den Augen der Kinder und auch mancher Erwachsenen, wie viel Erstaunen, ob dieser Zu- wendung und Segnung! Und aus der Angst vor demBerührtwerden wird ein hoffnungsvolles Erschau- ern. ■ Thema : Bärbeletreiben Datum : 04. Dezember 2019 Uhrzeit : Beginn ca. 17.00 Uhr Ort : Altstadt von Füssen Info-Kasten  Die Bärbele rauschen durch die Reichenstraße. Bild: Füssener Heimatzeitung

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