Füssener Heimatzeitung Nr. 175

97 Füssener Heimatzeitung Nr. 175 vom Juni 2019 gekränkt. Ganz im Gegenteil war er es gewesen, der noch in der Nacht nach Hohenschwangau ge- radelt war, um sich des Problems anzunehmen. Rauchschwaden über Hohenschwangau Die Sorge um die Schule in Ho- henschwangau gab es in Alfred Wintergerst auch noch nach der Pensionierung. Von Füssen aus sah AlfredWintergerst eines Tages Rauchschwaden aus Hohen- schwangau aufsteigen und Feu- erwehrautos rasten in die Rich- tung der dunklen Rauchsäule. Al- fred schwang sich aufs Rad, er konnte nicht anders und fuhr nach Hohenschwangau um nach- zuschauen, was geschehen war. Aber es stellte sich heraus, dass es nicht die Schule war, sondern dass es weiter hinten in der Gips- mühle am Eingang der Pöllat- schlucht brannte. Gegen die Tradition Ab und an eckte Alfred auch mit seinen Ansichten und Ideen bei Schülern und Lehrern an. So gab es einen traditionellenWandertag der Oberstufe, der jedes Jahr in den Schluxen in Tirol führte. Die- ses Ziel hatte einzig und allein den Zweck, einen guten Rausch zu bekommen. Als Alfred das ers- te Mal bei diesem traditionellen Wandertag dabei war, schlug er vor, noch einige hundert Meter weiter zu gehen, da dort etwas Schönes zu besichtigen wäre. Sein ehemaliger Kollege Ernst Thurnwald erinnerte sich noch gut daran, wie begeistert er die Klasse bewegen wollte. Noch ein paar Meter weiter ging der Tross, dann setzten sich alle auf die Straße und bewegten sich keinen Meter mehr. Die Schüler und Leh- rer versuchten Alfred klarzuma- chen, dass man noch nie weiter als bis zum Schluxen gegangen war und dass das einfach gegen die Tradition verstößt. Nach einer längeren Diskussion musste Al- fred nachgeben und man kehrte zumSchluxen zurück. Auch wurde er von einigen Kollegen gerne als „Reiseonkel“ bezeichnet, da er gerne mit seinen Klassen Studi- enfahrten machte, um auch prak- tisch den Stoff seiner Fächer zu erleben. Diesen leicht spöttischen Spitznamen und Sticheleien zu diesem Thema gab es immer wie- der. Auch wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten gab, erzeugte das nie eine Lagerbil- dung unter den Lehrern. Ehema- lige Kollegen von Alfred Winter- gerst, wie Peter Nasemann, er- innern sich noch, dass eine Strei- tigkeit nie lange ging und nach kürzester Zeit schon wieder kon- struktive Gespräche geführt wur- den. Noch heute spürbar Wenn man heute noch alte Kol- legen von AlfredWintergerst trifft, sind sie sich in einem einig. Das gute und kameradschaftliche Mit- einander unter den Lehrern und die Einstellung zu den Schülern am Gymnasium Hohenschwan- gau, die dort noch Jahrzehnte nach der Pensionierung herrsch- ten, wurden maßgeblich durch die Jahre von Alfred Wintergerst als Direktor geprägt. Peter Nase- mann erinnert sich noch gut da- ran, wie er 1982 an die Schule kam und sofort spürte, dass dort ein guter Geist herrscht und die Leitung der Schule weiß, dass es sich hierbei nicht um militäri- schen Drill, sondern um eine menschliche Veranstaltung han- delt. Alfred Wintergerst stand im- mer auf der Seite der Schüler, hatte ein herzliches Verhältnis zu ihnen und war trotzdem eine Autorität. Er liebte seinen Beruf und opferte auch viel seiner Frei- zeit für sein Amt. Es gab keine Grenze zwischen Beruf und sei- nem sonstigen Leben, sondern er erfüllte seine Pflicht und seine Aufgaben, wann immer er ge- braucht wurde. Für ihn war der Beruf Berufung und er füllte sei- nen Platz mit allem, was ihm ge- geben war, aus. In den 37 Jahren an der Schule war er insgesamt vielleicht eineWoche krank. Diese Ausfälle legte er normal immer auf die Ferien. Als er 1992 in den Ruhestand ging, wurden einige Vermerke aus seiner Akte vorge- lesen: „Die Schule und das Heim scheinen ihm eine Herzensange- legenheit zu sein“, „er wirkt durch sein Vorbild mit ausgeprägtem Pflichtgefühl“ und „seine strot- zende Gesundheit lässt ihn alle Hindernisse umgehen, er verzagt so gut wie nie“. Von vielen Men- schen wurde Alfred Wintergerst als Segen für das Gymnasium Hohenschwangau empfunden und sein Wirken und seine Werte kann man noch heute im Geist der Schule wiederfinden. ■ Fortsetzung folgt Info-Kasten Name: Alfred Edmund Wintergerst Studienfächer: Deutsch, Erdkun- de, Geschichte Arbeitsbeginn am Gymnasium Hohenschwangau: 1. September 1955 Pensionierung am Gymnasium Hohenschwangau: 1992 Ämter imGymnasium und Schü- lerwohnheim: Heimleiter, stell- vertretender Direktor, Direktor

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