Füssener Heimatzeitung Nr. 166

31 Füssener Heimatzeitung Nr. 166 vom Dezember 2018 / I Frau Holle Der Holunder wird in vielen Kul- turen als Tor in die Anderswelt gesehen, ins Reich der Frau Holle. Wer sich unter einen Hollerbusch setzt und seine Seele öffnet, wird spüren, wie es ihn hinunterzieht in die Erde, in die Höhle, ins Reich der Ahnen, Geister, Zwerge, ins Reich der Frau Holle. Doch entgegen der heutigen Vorstel- lungen von der „Hölle“ ist es dort nicht dunkel und schrecklich, es ist hell und schön, es ist eine Blumenwiese, wie wir aus dem Märchen der Frau Holle erfahren, in dem die Goldmarie durch den Brunnen in ihr Reich gelangt. Doch es ist auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen, die Frau Holle verkörpert alle Aspekte: die Ge- burt, das Leben, den Tod. Sie ist auch gefährlich und es heißt, wer allzu neugierig ist, den frisst sie. Bei uns gibt es die Percht oder Perchta, Berta, die mit der Frau Holle gleichgesetzt wird. Sie ist die Mutter der Toten, der Natur- geister und der ungetauften Kin- der. Zu ihr gehen die Seelen und sie schickt sie wieder auf die Erde, wie es auch im Märchen der Frau Holle beschrieben wird. Auch der englische Name des Holunders „Elder“, was „Älteste“ heißt, zeigt die Verbindung zu den Ahnen und Geistern. Baum des Todes und des Lebens Der Holunder ist ein sehr heiliger Baum, fast jedes Haus, das ein bisschen von Natur umgeben ist, hat einen Hausholler oder Hof- holunder, da er die Nähe der Menschen gern sucht. Der Haus- holler ist heilig und darf nicht gefällt oder beschnitten werden. Wer dies tut, beschwört großes Unglück auf sich herab. In ihm zeigen sich die Ahnen, die guten Geister, die ihre Nachkommen besuchen. Auch bitten Frauen, die schwanger werden wollen, Fortsetzung auf Seite 32  Holunderbusch voll reifer Beeren (Bild: Füssener Heimatzeitung)

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