Füssener Heimatzeitung Nr. 263

Serie: Gedichte Hesse schrieb einmal: „Von meinem drei- zehnten Jahr an war mir das eine klar, daß ich entweder Dichter oder gar nichts werden wolle.“ Er erinnerte sich sogar noch an den Moment, als es ihm ganz klar wurde, und zwar war es der Moment, als er in seinem Schulbuch das nachfolgende Fragment von Friedrich Hölderlins „Die Nacht“ las. Hölderlin schrieb dieses Gedicht 1801. Hesse beschrieb diesen Moment wie folgt: „Dies war so: in unsermSchullesebuch, das wir als zwölfjährige Lateinschüler hatten, standen die üblichen Gedichte und Geschichten, die Anekdoten von Friedrich dem Großen und Eberhard im Barte, und alles las ich gern, aber mitten zwi- schen diesen Sachen stand etwas anderes, etwas Wunderbares, ganz und gar Verzau- bertes, das Schönste, was mir je im Leben begegnet war. Es war ein Gedicht von Hölderlin, das Fragment „Die Nacht“. Oh diese wenigen Verse, wie oft habe ich sie damals gelesen, und wie wunderbar und heimlich Glut und auch Bangigkeit weckend war dies Gefühl: das ist Dichtung! Das ist ein Dichter! Wie klang da, für mein Ohr zum erstenmal, die Sprache meiner Mutter und meines Vaters so tief, so heilig, so gewaltig, wie schlug aus diesen unglaublichen Versen, die für mich Knaben ohne eigentlichen Inhalt waren, die Magie des Sehertums, das Geheimnis der Dichtung mir entgegen! Nie mehr, so viel und so begeistert ich auch als Jüngling las, haben Dichterworte mich so völlig bezaubert, wie diese damals den Knaben …“ Im Folgenden das Fragment, das wir vielleicht durch die Bewunderung Hesses noch mehr verstehen und erfühlen können: Ein Fragment aus „Die Nacht“ von Friedrich Hölderlin Ein Bericht von Hermine Frey

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