Füssener Heimatzeitung Nr. 250
85 Füssener Heimatzeitung Nr. 250 vom Juni 2024 / II sifal wird neben Narziss das von Ludwig am häufigsten separat gesehene Werk seines königli- chen Spielplans. Schaulust bis zur Überwältigung Seit Ende der 1870er-Jahre tau- chen zunehmend auch ausge- sprochene Schaustücke im Pro- gramm der Separatvorstellungen auf. Das Interesse von Ludwig II. richtet sich bei diesen Stücken vor allem auf das stimmungsvolle Erlebnis des exotisch Entlegenen. Er interessiert sich für Formen und Anleihen an byzantinische, assyrische oder indische Tracht und Architektur. Er lässt sich Na- turphänomene zeigen, die im eu- ropäischen Raum eher unbekannt sind: Wüstenstürme, rauschende Wasserfälle oder mondbeschie- nene Gebirgsseen mit Lotusblü- ten, Feigenbäume und Palmen- haine, dazu indische Hirsche am Fuße des Himalaya. Im präzisen Zusammenspiel der die Natur imitierenden Dekorationsmalerei und einer ausgeklügelten Be- leuchtungs- und Bühnentechnik werden effektvolle Bilder erzeugt, die alle Sinne ansprechen sollen. So lässt er die Bühne u. a. durch real plätschernde Brunnen bele- ben. Die überwältigende Wirkung entsteht in Verbindung mit der Musik durch großes Orchester, großen Chor und Tänze, die durch synchron choreografierte Darstel- lergruppen und Masse beeindru- cken. Neue Effekte interessieren den König Die Schaustücke leben von einer überwältigenden Vielfalt, Perfek- tion im Ausstattungsdetail, me- chanisch bewegten Apparaturen und farbigen Lichtwechseln stetig nicht auf Staatskosten, sondern aus Ludwigs eigenen Einkünften, der sogenannten Kabinettskasse, finanziert. Auch wenn diese Ein- künfte mehr als das Vierzigfache des Jahresgehalts eines Ministers betragen, können sie die Ausga- ben nicht decken. Im Laufe des Jahres 1884 liegen die königlichen Schulden bei über acht Millionen Goldmark, sodass die Schulden- regulierung durch ein großes Dar- lehen nötig wird. Dazu kommt der rasante Anstieg der Ausga- ben. Durch die Einführung der Wagner-Opern in den Separat- Spielplan im Jahre 1879, vor allem durch die zweimalige Aufführung von Der Ring des Nibelungen, nehmen die Kosten rapide zu. 1885, im letzten Aufführungsjahr, finden nur noch drei Separatvor- stellungen statt: Gezeigt werden Parsifal, Theodora und zuletzt Ur- vasi. Die Inszenierungen belasten den Etat erheblich, der Privat- konkurs des Königs droht. Trotz- dem verzichtet Ludwig II. nicht auf sein Theater: Noch im Herbst 1885 lässt er eine Separatvor- stellung von Herodias vorbereiten. ■ wechselnder Dekorationen. Carl Brandt (1828– 1881) und sein Bruder Fritz (1846–1927) führen die Wandeldekoration an den Münchner Hofbühnen ein. Dabei handelt es sich um einen gemal- ten Dekorationsfries, der sich von einer Seite zur anderen ab- rollen lässt und damit Bewegung simuliert. Die Brüder experimen- tieren mit effektvoller Beleuch- tung. Carl Brandts Schüler – und ab 1880 in München auch sein Nachfolger – Carl Lautenschläger (1843–1906) wendet Elektrizität auf der Bühne dann nicht nur für raffinierte Beleuchtungslösungen an, sondern nutzt sie auch als Antriebskraft für mechanische Apparate, die Dekorationsele- mente in Bewegung versetzen. Lautenschläger tauscht sich mit dem technikbegeisterten Ludwig II. über besondere Effekte inner- halb der Separatvorstellungen aus, aber auch auf die königli- chen Bauprojekte hat dieser Aus- tausch Einfluss. Aus eigenen Einkünften Wie die Königsschlösser werden auch die Separatvorstellungen Fortsetzung von Seite 83 Ausstellung: In meiner Vorstellung. Die Welt der exklusiven Aufführungen von König Ludwig II. Ausrichter: Kabinettausstellung des Deutschen Theater- museums Öffnungszeiten: 19.4. - 30.7.2023, Di-So 11-17 Uhr Adresse: Deutsches Theatermuseum München Galeriestr. 4 a (Hofgartenarkaden) 80539 München Mail: info@deutschestheatermuseum.de Tel.: 089 210691 0 Info-Kasten
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