Füssener Heimatzeitung Nr. 250
188 Füssener Heimatzeitung Nr. 250 vom Juni 2024 / II Damals und heute Marcus Spangenberg charakte- risiert Krafft folgendermaßen: „Kritisch und aufmerksam ging er durch das gerade erst der Öf- fentlichkeit zugänglich gemachte steinerne Erbe des Märchenkö- nigs. Ebenso beobachtete er wäh- rend seiner mehrtägigen Reise intensiv Land und Leute.” Der deutschstämmige Weltreisende, Fotograf, Journalist und Schrift- steller aus Reims hinterließ mit seinem Bericht eine der genau- esten und liebevollsten Schilde- rungen aus der Anfangszeit des Bayern- und Königsschlösser- Tourismus. Weiter weist Span- genberg darauf hin, dass er in seinem Vortrag wie in seinem Buch gerne die damaligen Fotos mit dem heutigen Zustand ver- gleichend gegenüberstellen möchte. So hat er sein Buch und auch den Vortrag aufgebaut. Ne- ben den einzigartigen Original- bildern von 1886, die in diesem Buch übrigens erstmals veröffent- licht wurden, sieht man dort vom gleichen Blickwinkel aus die Ge- gebenheiten der Gegenwart. In- teressant, was sich in dieser Zeit alles verändert hat. Eine schöne Geschichte ist auch die Zwei- sprachigkeit dieses Buches. Der Reisebericht steht sozusagen ne- beneinander, in der französi- schen Originalsprache und in der deutschen Übersetzung. Lei- der sind die Originalbilder im Besitz des Museums und nicht frei zugänglich. Ludwig kannte fast nur Baustellen Spangenberg erzählt, dass Lud- wig II. bis auf Linderhof alle seine Schlösser vielfach nur im Rohbau oder zumindest sehr unfertig ge- sehen hat. Schloss Neuschwan- stein war noch eine große Bau- stelle, der Viereckturm war nur zur Hälfte fertig, ganze Stockwer- ke gar nicht ausgebaut und die Kemenate fehlte ganz. In Herren- chiemsee war der ganze Nord- flügel Rohbau und wurde später sogar abgerissen. VomSüdflügel standen nur die Grundmauern. Wenn wir heute durch die Schlös- ser gehen, dann sehen wir nicht das gleiche wie König Ludwig, der sich die meiste Zeit durch Baustellen bewegte. Und Hugues Krafft sah damals noch größten- teils das gleiche wie der König. So konnte er mit seiner Kamera, die übrigens von Zeiss war, alle Details festhalten, die noch ori- ginal so waren wie zu Ludwigs Lebzeiten. Das alleine ist schon eine überaus wertvolle Dokumen- tation. Das zweisprachige Buch - Spangenberg als Ludwig-Spe- zialist und Wiedenmann als ex- zellenter Kenner der französi- schen Sprache bilden ein un- schlagbares Gespann - begeistert durch noch nie zuvor gedruckte Bilder. Hugues Krafft, ein millionenschwerer Fotograf aus Reims, besucht 1886 als einer der ersten die Königsschlösser und schreibt einen Reisebericht. Bild: gemeinfrei Fortsetzung von Seite 187
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