Füssener Heimatzeitung Nr. 247
144 Füssener Heimatzeitung Nr. 247 vom April 2024 Serie: Lechtal Das Parzinmännchen und seine Geheimnisse Ein Bericht von Elisabeth Wintergerst Im Jahr 1902 wurde auf der Parzinalm im Grenzgebiet zwischen dem Bezirk Imst und dem Bezirk Reutte eine kleine Figur aus Bronze gefunden, die acht Zentimeter hoch ist. Sie stellt einen Menschen dar, mit einem knielangen Gewand. Das Gesicht mit weit aufgerissenen Augen beeindruckt sofort. Die Hände sind anbetend oder segnend erhoben. Das Kleid ist mit Kreisornamenten geschmückt, Saum und Gürtel tragen ein Muster aus Rhomben. Die Darstellung spricht für einen Opfernden und war in der Zeit seiner Herstellung sehr kostbar. Ähnliche Kult-Figuren sind aus rätischen Heiligtümern bekannt. Meist haben die Figuren dann auch noch eine Inschrift mit einer rituellenWidmung, manchmal sogar mit dem Namen der Person, die das Opfer dargebracht hat. Leider ist dies hier nicht der Fall, es handelt sich um einen Streufund, bei dem bedauer- licherweise der genaue Fundort und die Umstände der Auffindung nicht festge- halten wurden. Spurensuche Trotz der spärlichen Informatio- nen wird man dem Fund doch die Antworten auf einige Fragen entlocken können. Eine derartige Darstellung - eine Figur mit er- hobenen Händen - wird als Ado- rant (Anbetender) bezeichnet. Aus den Fundumständen ergeben sich für die Datierung des Figür- chens keinerlei Anhaltspunkte. Ein sehr ähnliches Stück, das wahrscheinlich aus dem Pustertal stammen dürfte, besitzt das Mu- seum in Bruneck. Soweit die Din- ge heute übersehbar sind, stammt die Figur wohl aus der späten Hallstatt- bis frühen La- Tène-Zeit. Die Hallstattzeit dau- erte von 800 vor Christus bis etwa 450 nach Christus. Die Figur wurde von den Rätern geschaffen, die als oberste Gottheit die Göttin Raetia verehrten. Die Räter wur- den nach dem Feldzug der Römer gegen die rätischen Alpenstäm- me, unter anderem auch die Li- katier, im Jahr 15 vor Christus re- lativ rasch von ihren Besatzern zwangsweise romanisiert. Reste der alten rätischen Sprache haben sich in der Schweiz und bei den Ladinern bis heute erhalten. Rä- toromanische Sprachreste sind jedoch auch in Füssen zu finden, wie etwa die Worte „Lusalten” oder „Morisse”. Die Germanisie- rung des ganzen Alpenraums fing erst mit der Völkerwanderung an, die im Alpenraum im 6. und 7. nachchristlichen Jahrhundert stattfand. Etymologisch haben sich jedoch in ganz Tirol, Vorarl- berg und dem bayerischen Al- penrand rätische und romanische Spuren gehalten. Etwa sprachen das gesamte Schnalstal und das obere Ötztal bis ins 15. Jahrhun- dert rätoromanisch. Die germa- nische Sprache hielt erst im Rah- men der Reformation in die letz- ten Alpentäler Einzug. Da über die rätoromanische Churschweiz reformiertes Gedankengut in die Tiroler Gebiete getragen wurde, schlugen die erzkatholischen Habsburger erbarmungslos zu und verboten strikt den Gebrauch der rätoromanischen Sprache. ImRahmen der Gegenreformation wurde dann sehr straff eine deutschsprachige Obrigkeit im Alpenraum eingeführt. Weihegaben Derartige Figürchen, wie das Par-
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