Füssener Heimatzeitung Nr. 221

112 Füssener Heimatzeitung Nr. 221 vom Juni 2022 / II Landluft zu genießen. - Neulich war das Wetter leider nicht güns- tig u. doch war es eine große Er- holung für mich. Es ist so nah von d. Stadt, daß Alles so leicht wie dort erledigt werden kann. - Mit inniger Freude erinnerte ich mich neulich an die schönen tage der Kindheit. - Stets war ich so gerne dort; ich erinnerte mich an die erste Dampfschiffahrt, an die munteren Spiele mit Peter, dem Gärtnersohn; weißt Du noch! - Die Zahl der Deputationen ver- mindert sich nach u. nach; doch habe ich jeden tag 1 oder 2 Stun- den Audienzen, die mir nichts fremdes mehr sind. - Morgens kommen die Sekretäre um ½ 9 - ½ 10 oder 10 Uhr. Zweimal in d. Woche kommt Hof-Minister, dann nehme ich ein 2. Frühstück ein u. ertheile gewöhnlich um 12 uhr Audienzen, fahre und gehe, um 4 uhr ist die Tafel, um 6 Uhr kommt abwechselnd je einer v. den Sekretären, Leinfelder liest dann d. Zeitung vor, was bis ge- gen 9 Uhr dauert, dann ist Thee. - ich besitze nun eine große, ge- malte Photographie von Niemann als Tannhäuser (imWartburgsaal, d. Harfe spielend). Und als Lo- hengrin, im Nachen v. Schwan gezogen. - Die Eile erzeugte die gräuliche Schrift!” Die Liebe des Königs Durch den Briefwechsel mit seiner Erzieherin zeigt sich viel von Lud- wigs Wesen: Seine Treue, seine Liebe und seine Art, Beziehungen zu den Menschen zu pflegen und zu erhalten. Es fällt auf, wie lange er diesen Kontakt gehalten hat und wie oft er persönlich an die früheren Zeitenmit ihr angeknüpft hat. Sybilla muss wirklich eine bedeutende Person im Leben des Königs gewesen sein. Aus allen hier vorgestellten Textpassagen geht Ludwigs Wesen hervor. Lud- wig ist ehrenvoll, demütig, un- schuldig, interessiert, bewun- dernswert, königlich, vertrauens- voll und noch vieles mehr. Die Liebe Ludwigs, seine unschuldige Beziehungspflege, berührt uns immer wieder aufs Neue. Jeder neue Brief, den wir lesen, bringt uns sein Wesen näher und lässt uns erspüren, welch feiner Mensch, welch sensibles, emp- findsames Gemüt sich hinter den geschriebenen Zeilen verbirgt. ■ q Sybilla Meilhaus, Kinderfrau und Erzieherin Ludwigs, um 1860. Bild: Gisela Haasen, Ludwig II. Briefe an seine Erzieherin, Verlag Bruckmann Briefe von König Ludwig II. von Bayern an seine Erzieherin Sybilla von Leonrod (geborene Meilhaus) Anzahl: 82 Aufbewahrungsort: Geheimes Hausarchiv der Wittelsbacher im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München Info-Kasten Fortsetzung von Seite 111

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