Füssener Heimatzeitung Nr. 221

109 Füssener Heimatzeitung Nr. 221 vom Juni 2022 / II „Ihr theuerster Schatz” Die aufbewahrten Schätze sind besonders wegen der Schrift des Königs sehr wertvoll. Seine Schriftzüge selbst sind Quelle von unvergleichlicher Authenti- zität und großer Aussagekraft. Das Schreiben mit der Hand wird immer vom Gefühl geleitet. Lud- wigs Handschrift veränderte sich im Laufe der Jahre sehr. Er begann den Briefwechsel mit Sybilla von Leonrod im Alter von acht Jahren und hielt ihn bis zu ihrem Tod im Jahre 1881 aufrecht. Ludwig ge- währte ihr tiefen Einblick in seine Gedankenwelt als junger König. Selbst nach Ludwigs Rückzug von der Außenwelt erhielt Frau von Leonrod noch mindestens zwei Briefe jährlich von ihm. Der Map- pe von 82 aufbewahrten Briefen liegt ein Brief des Barons von Le- onrod vom 22. Juni 1881 bei. Ba- ron von Leonrod schrieb dem „Al- lerdurchlauchtigsten Großmäch- tigen Koenig, Allergnädigsten Kö- nig und Herrn” in brüchiger Al- tersschrift folgenden Brief: „(...) lege ich auf allerhöchst Dero Be- fehl sämtliche Briefe Eurer Kö- niglichen Majestät an meine ver- storbene Frau untertänigst zu Fü- ßen. Es war von Allem, was sie besaß, ihr theuerster Schatz (...).” Während dem Fischen taucht er in die Bücherwelt Aus dem ersten Brief, der hier vorgestellt werden soll, geht her- vor, wie Ludwig die Schriften von Richard Wagner in vollen Zügen genießt. Am 23. Juli 1863, mit 17 Jahren, berichtet der Kronprinz glücklich: „Nun sind wir endlich in Hohenschwangau! Du kannst Dir denken, wie glücklich wir hir sind, heute vor 8 Tagen kamen wir an. - Das Wetter ist herrlich, angenehmzu Partien, zumReiten, Fischen und Baden. - Wir fischen alle Tage, den einen Tag fischt einer von uns im Alpsee, den an- deren im Schwansee; ich fange fast jeden Tag einen Hecht; Otto fing gestern einen ungeheuren Hecht von 13 Pfund! - Ich lese jetzt immer beim Fischen, was sich sehr gut vereinigen läßt. - Wundervoll ist die Trilogie v. R. Wagner: ‘Der Ring des Nibelun- gen’, heute werde ich sie been- den. Um 3 Uhr essen wir zu Mittag mit der Mutter, d. Damen u. bei- den Herren, der Vater ist noch nicht hier, nach Tisch machen wir eine Partie, dann ist der Thee, hir u. da im Freien. - Neulich, als wir v. Schweizer- haus zurück- kehrten, ritt ich voran am Wagen, was mich sehr unterhielt. - Eben spielt Otto den Pilgerchor aus Tannhäuser! Wundervoll! - Wärst Du doch hier, ich denke viel an die schönen Jugendtage!” Ludwig liebt Schloss Hohenschwangau In seinem nächsten Brief an Sy- billa, am 10. August, beschrieb König Ludwig II. von Bayern die schöne Märchenwelt in Schwan- gau. Es ist deutlich zu spüren, welche Verbindung der König schon in diesem jugendlichen Alter zu diesem Ort hatte. „Wun- dervoll ist der Alpsee am  Ludwig zur Zeit der Volljährigkeit. Bild: Gisela Haasen, Ludwig II. Briefe an seine Erzieherin, Verlag Bruckmann Fortsetzung auf Seite 110

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