Füssener Heimatzeitung Nr. 221

106 Füssener Heimatzeitung Nr. 221 vom Juni 2022 / II Fortsetzung von Seite 104 vermerkt, dass genau an diesem Tag vor zwei Jahren er seine erste Aufführung des Werkes Tannhäu- ser besucht hat. Ludwig ist in München und schrieb: „Wonne- tag, 2 Jahre Tannhäuser.“ Das bedeutet, dass er als Sechzehn- jähriger von Tannhäuser so be- geistert war, dass er sogar zwei Jahre später sich genau an das Datum und das Ereignis erinnert. Die Tage schreiten voran und es ist Heiligabend, der 24. Dezember 1863. Aber für Kronprinz Ludwig ist es ein stilles und ruhiges Fest, denn er liegt mit starkem Fieber im Bett. Ein paar Tage lang ist das Leiden so stark, dass Dr. Gietl eine Entzündung befürchtet. Ludwig hatte zwar keine Schmer- zen, konnte aber wegen seines Halsleidens kaum sprechen. An diesem ersten Weihnachtsfest nach seiner Volljährigkeit über- häuft Ludwig seinen Bruder Otto mit Geschenken im Wert von 115 Gulden. Auch Prinz Otto be- schenkte seinen Bruder, unter anderem mit einem Bild der Ni- belungen. Ludwig lag krank im Bett, wahrscheinlich hat sich die Krankheit verschlimmert, die sich bereits angebahnt hat und welche er im Brief an seine Erzieherin bereits erwähnt hat. Ludwig fasst einen Plan Heiligabend ging vorbei und die zwei Weihnachtsfeiertage ver- brachte Ludwig wohl in seinem Bett. Am Montag, den 28. De- zember 1863 fasst er wieder Kraft und schreibt an seinen Großva- ter, Ludwig I. von Bayern. Der Großvater ist kein König mehr, aber doch eine bedeutende Per- son und ein wichtiger Mensch im Leben des Kronprinzen. Wie man aus dem Brief lesen kann, emporgeflogen, Hohenschwan- gau.“ Ludwig befindet sich ganz in dieser Welt der Mythen, der Opern vonWagner und von tiefen und reinen Bildern. An diesem Tag fand auch Ludwigs eigentliche Weihnachtsbescherung statt, weil er am 24. krank war. Er verzeich- net unter den Geschenken ein Bild. Entweder ist es das Bild „Der Brunhilde Empfang zu Worms”, vielleicht ist auch hier eine Darstellung aus Wagner ge- meint, „Ankunft Gunthers und Brünnhildes vor der Halle der Gi- bichungen am Rhein”. 236 Gulden und 15 Kreuzer Der letzte Tag des Jahres 1863 ist angebrochen und somit der letzte Tag des Jahres, in dem Lud- wig noch Kronprinz war. Er stu- dierte, beschäftigte sich mit Thea- ter, mit den Dichtungen von Wag- ner und Shakespeare, träumte von den Sagen und den Mythen. Dies alles tat er in einem leichten, jugendlichen Gefühl, in demWis- sen, dass er vielleicht eines Tages König werden würde, aber in einer weit entfernten Zeit. Aber nie wäre er auf die Idee gekommen, dass er schon in so kurzer Zeit die große Verantwortung als König für ein großes Königreich tragen muss. In weniger als drei Monaten wird ihn und ganz Bayern die überraschende Nachricht treffen, dass sein Vater gestorben ist. Doch jetzt denkt er daran nicht und macht wie an jedem Ende des Monats einen Kassensturz. Im Ausgabenbuch schließt er den Monat Dezember mit 236 Gulden 15 Kreuzer Ausgaben ab, einem viel höheren Betrag als in allen vorausgegangenen, aber es ist auch Weihnachten und Ludwig liebt es so sehr, anderen Men- schen eine Freude zu machen ging es ihm jetzt schon mehrere Tage nicht gut. „Lieber Großvater, ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich so spät zum Schreiben komme; aber es ist wirklich nicht meine Schuld, denn ich lag einige Tage lang mit Fieber zu Bette und darf noch nicht den ganzen Tag auf sein; auch die Weihnachtsbescherung haben die Eltern deshalb verlegt. Wir hatten bisher einen merk- würdig milden Winter, den ich zu einigen schönen Ritten be- nutzte. Ich besuche diesenWinter die Universität noch hier; ich höre Physik bei Professor Jolly, auch Liebigs Laboratorium be- suche ich.” Am gleichen Tag vermerkt er in seinem Tagebuch, dass er sich mit „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Holländer“ befasst hat. Lud- wig schreibt auch von seinem Entschluss, Richard Wagner zu schreiben: „Plan gefasst R. Wag- ner zu schreiben”. Hier kann man sehen, dass er, bereits bevor er König geworden ist, Kontakt zu Wagner aufnehmen wollte. Er schreibt auch von seinem Lesen in den Operdichtungen von Wag- ner. Auch am nächsten Tag liest er in den Dichtungen Wagners, es wird sich um die Herausgabe der „Ring”-Dichtung gehandelt haben. Die Weihnachtsbescherung Einen Tag vor Silvester erwähnt er in seinem Tagebuch einen Traum. Als junger Mann hat er natürlich nur wenig Zeit, es genau zu beschreiben, doch sind wir über jede Aufzeichnung froh und so kann man doch etwas spüren, wenn man die Stichpunkte seines Traumes liest: „Traum, Schwanenritter nahen im Kahn, Nymphenburg, Schwan

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