Füssener Heimatzeitung Nr. 213

46 Füssener Heimatzeitung Nr. 213 vom Dezember 2021 Zur Weihnachtszeit wollen wir von einem uralten Brauch berichten. Dieser stammt von Kaiser Karl V. Josef bringt uns wieder durch seine wertvollen Auf- zeichnungen dieser alten Tradition näher und schlägt sich abermals auf die Seite der Bürger, die Josef wieder einmal zu schätzen wissen! Ein unbekannter und uralter Neujahrsbrauch Ein Bericht von Carl Uhlemann Serie: Füssener Persönlichkeiten Ein Licht in der Nacht AmNeujahrsabend begab es sich traditionell jedes Jahr aufs Neue, dass die ledigen Bürgersöhne mit einem kleinen Jesukindlein in einem großen Pferdewagen, die ganze Nacht durch die Orte von Haus zu Haus fuhren. In dem Wagen saßen um die zwanzig Buben und junge Männer. Sie sangen vor jedem Haus der Bür- ger mehrere Lieder vom Jesus- kindlein, ohne Ausnahme, ob reich oder arm. Des Öfteren hat- ten die Jungen auch Flöte und Trommel dabei und alle imWagen waren weiß gekleidet. Die Klei- dung der Mitfahrenden bestand aus einem gewöhnlichen Rock, darüber ein Harnisch und eine eiserne Bügelhaube, welche mit schönen Steinen besetzt worden war (leider wird dies im Kontext nicht genauer beschrieben). An dieser Haube wurden dann eben- falls schöne seidene Tücher und Stoffe befestigt, die sanft den Rücken herab fielen. Über die Schulter trugen sie jeweils zwei Schärpen. Außerdem trug jeder eine schöne Laterne zur Beleuch- tung mit sich. Vorneweg war ein Pferdegespann mit Reitmeister, der vor jedem Haus den dort wohnenden Bürger mit Namen anrief, welchem dann die Lieder gesungen wurden. Jedes Mal, wenn ein Lied zu Ende war, wurde das Jesukindlein in dem Wagen in die Höhe gehoben und geprie- sen. ImWagen gab es eine Büch- se, in die jeder Bürger nach Be- lieben etwas einwerfen konnte. Des Öfteren kamen die Hausbe- sitzer vor die Tür und hörten mit großer weihnachtlicher Freude dem trostspendenden Gesang der Burschen zu. Inmitten der Nacht erhellte diese Kutsche für ein paar Minuten jedes Haus und die Bürger erfreuten sich ganz besonders dieser hell leuchten- den Szenerie, zu dieser ach so dunklen Jahreszeit! In der Kirche Wenn es diese gab, so sangen die Buben auch an den Anwesen der Fürsten vor und bekamen dort ein gewisses „zum Dußer”, welches der ansässige Propst auszahlen musste. Dazu ging der Reitmeister mit vier Bürgern der Gesellschaft am Stefanstag mit vor das Haus des Propstes und sie hielten um die Erlaubnis an, in seiner Amtsstube einen langen Spruch von Kaiser Karl V. aufsa- gen zu dürfen. War dies geschafft, ermahnte der Propst die Leute, sich stets friedlich und gut zu betragen und sie bekamen das Geld. Wie viel dies genau war, ist leider unklar. Wahrscheinlich nicht allzu viel, aber genug, dass sich die Beteiligten freuten. Es ging wohl eher um den symboli- Josef Benedikt Schmid - Aus dem Leben des Füssener Knopfmachers und Bürgermeisters - Teil 8 Fortsetzung auf Seite 48

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