Füssener Heimatzeitung Nr. 212

161 Füssener Heimatzeitung Nr. 212 vom November 2021 / II Künstlicher Sternenhimmel im Tassozimmer Seit dem Frühjahr 2021 ist die Ausstellung „Im Schein der Ster- ne” imMuseum Starnberger See zu sehen. Sie wird bis Herbst 2021 zu sehen sein und der Be- such sei jedem Leser ans Herz gelegt. Die Ausstellung führt uns in die Historie der Betrachtungen des Sternenhimmels. Wie haben die Menschen in den unterschied- lichen Epochen den Nachthimmel betrachtet, welche Sternbilder sahen sie und welche Mythen verbanden sie damit? Neben den historischen Fakten, zum Lesen und Bewundern, finden sich auch praktische Ausstellungsstücke, mit Hilfe derer man zum Beispiel das Sternbild Orion dreidimen- sional erfahren kann, als sei man mit einem Raumschiff im Weltall unterwegs. Oder man kann mit Hilfe eines Rades herausfinden, wie der Sternenhimmel zu einem bestimmten Datum in der Ver- gangenheit aussah. Im Zentrum der Ausstellung steht der Nach- bau des sogenannten Tassozim- mers, des historischen Schlaf- zimmers von König Ludwig II. von Bayern aus Hohenschwangau. Hier kann man sogar den künst- lichen Sternenhimmel bewun- dern, der es ihmmöglich machte auch am Tag den Sternenhimmel leuchten zu sehen. Da diese Kon- struktion nach seinem Tod ent- fernt wurde, können wir sie nur hier im Starnberger Museum in der Rekonstruktion wieder be- wundern. Spannungsfelder der zeitgenössischen Kunst Neben dem historischen Teil, fin- det sich auch ein moderner, zeit- genössischer Teil, in dem Künst- ler*innen ihre Sicht auf die Sterne aus heutiger Sicht darstellen. Die Kunstwerke stehen in einer Tra- dition der künstlerischen Deutung des Himmelsraums, die geprägt ist vomSpannungsfeld zwischen Erstaunen, Erkenntnis und Erfin- dung. Wir finden uns wieder zwi- schen bewahrender Ordnung und schwindelnder Dynamik, zwi- schen den Erklärungen und Fak- ten der Naturwissenschaft und den Mythen, dem Übernatürli- chen, das wir in den Sternen se- hen. Dieser moderne Teil der Aus- stellung ist im ältesten Teil des Museums, in den historischen Gemäuern des Lochmannhauses untergebracht. Das Lochmann- haus ist ein vierhundert Jahre al- tes Bauern- und Fischerhaus, das bis heute komplett erhalten ist. So bildet sich hier ein neues Spannungsfeld zwischen den his- torischen Gemäuern und der mo- dernen, zeitgenössischen Kunst. p Die Sternenkarte von Dunhuang aus dem 7. Jahrhundert. Bild: Füssener Heimatzeitung Die Nacht wie König Ludwig II. erleben Das Zentrum der Ausstellung, das Tassozimmer, ist besonders gestaltet. Hier können wir nicht nur die historischen Wand- und Deckengemälde bewundern, son- dern auch die historische Licht- konstruktion, die einen Nacht- himmel mit Sternen und dem Mond erleuchtet. Besonders ge- lungen ist die Möglichkeit, sich dort hinzulegen oder hinzusetzen, um die Stimmung des Zimmers nachempfinden zu können. So fühlen wir uns wie König Ludwig, wenn wir uns in die Mythen von Rinaldo und Armida vertiefen, die Nacht mit ihremNachthimmel bewundern, für einen Augenblick sogar das Museum und unseren Wissensdurst vergessen und da- mit in eine eigeneWelt und Trance eintauchen. Fortsetzung auf Seite 163

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