Füssener Heimatzeitung Nr. 209

27 Füssener Heimatzeitung Nr. 209 vom September 2021 so an roten Belli hatte der auf, alles wegen der Maschine.” In der Halle haben sich alle unter den Maschinen versteckt. An die- ser Maschine ist die Freundschaft zerbrochen, auch wenn sie sich Jahre später in Pfronten im Hal- lenbad getroffen haben und alles wieder gut schien. Aber beinahe hätte es wieder gefunkt, weil Hel- mut Böck die Maschine immer noch nicht vergessen hatte. We- gen solchen Meinungsverschie- denheiten bei der Anschaffung von Maschinen, bei denen Böck seine berüchtigten cholerischen Anfälle bekam, hat er auch einmal sowohl Günter Zwerger als auch Herbert Braun bei einer Sitzung hinausgeschmissen. „Herr Zwer- ger, ich kann Sie hier nicht mehr brauchen und du (zu Braun) dich brauch ich auch nicht mehr hier oben!” Da war dann der Ofen aus. Weit über die Rente hinaus noch gearbeitet Damals am Ende der Hanfwer- ke-Ära war Hans Werner Troidl der kaufmännische Direktor und Helmut Böck der technische. „Zu mir hat der Troidl gseht, kommscht freiwillig nei?” (Braun war schon in Rente). Braun war daraufhin nochmal fünf Jahre im Betrieb, bis er siebzig war. Er meinte damals, er mache das nur, wenn die Leute nochmal ein Geld bekommen. Und sie haben es bekommen. Er hat sogar noch ein Jahr länger gearbeitet, damit dieses Versprechen gehalten wer- den konnte. Er war noch länger als Helmut Böck dort. Oft stand er zwischen Troidl und Böck, der sehr impulsiv sein konnte. Flachsversuche am Bullachberg Früher, in der Anfangszeit, arbei- teten sie noch mit Hanf, der aus China kam, weil er billiger war. In großen Ballen zu zweihundert- fünfzig bis dreihundertfünfzig Kilo kam er am Bahnhof an, der extra für die Hanfwerke gebaut worden war. Wo heute das be- treute Wohnen ist, waren früher die Lagerhallen für den Hanf. Dann stellte man auf Flachs um, der ja im Allgäu auch gewachsen ist und nach dem das Allgäu den Namen „blaues Allgäu” bekam. Zu dieser Zeit war im Gespräch, neue Flachssorten am Bullach- berg zu rekonstruieren, d.h. es wurde probiert, neu zu züchten. Fünfzehn bis zwanzig Sorten hat man probiert, aber alle waren zu kurz. „Da hätt ma alles wieder von null anfangen müssen!” Und somit hat man das wieder ein- gestellt. Es gab zwei Methoden der Flachsbearbeitung: Wasser- rösten und Taurösten auf dem Feld. Braun erzählt, Flachs wird seidig nach der Bearbeitung, wärmt im Winter und kühlt im Sommer. Beim Hanfschneiden trennte man Spitze, Mitte und Wurzel. Man spürt, dass das Brauns Metier ist und dass er seinen Beruf und die Hanfwerke immer noch liebt. Beim Rauchen fast erfroren Die große Fabrikhalle war hundert Meter lang, aber man sah gar nicht bis zum Ende, weil es in der Mitte schon so gestaubt hat, dass alles wie eingenebelt war. Das führte natürlich bei den meis- ten Mitarbeitern zur bekannten Staublunge. Auch Herbert Braun hatte eine Staublunge. Das war alleine noch nicht das Problem, aber wenn man zudem noch ge- raucht hat, dann wurde es richtig schlimm. Und Herbert Braun war ein fleißiger Raucher. Eines Tages, im Winter, hat er sich einmal selbst auf dem Balkon beim Rau- chen ausgesperrt. Es war null Grad und in der Wohnung hat es keiner mitbekommen und ihn und sein Klopfen nicht gehört. So stand er da auf dem Balkon, nur ganz leicht angezogen und fror ganz erbärmlich. Zwei Stun- den später ging innen das Licht an und er wurde gerettet. Das war die letzte Zigarette seines Lebens. Es gibt sie heute noch, er hat sie aufgehoben in der alten HB-Schachtel. Das war damals ein heilsamer Schock! ■ Fortsetzung folgt! Herbert Braun geboren : 28.06.1941 Hanfwerkesiedlung Mutter : Josefa Braun geb. Wieneberger von Lengenwang Vater : Georg Braun aus Schongau Heirat : 1963, Heidi Schmied, * 1942, + 1999 mit 57 Jahren Spätere Lebensgefährtin : Elisabeth Schwarz, *1935, +2013 Drei Kinder : Günther, Barbara und Christine (Tine) Beruf : Textilmeister bei den Hanfwerken Füssen, 57 Jahre lang Uropa : Am 18. Mai 2021 wurde er Uropa, eine kleine Urenkeltochter kam zur Welt. Info-Kasten

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