Füssener Heimatzeitung Nr. 205

94 Füssener Heimatzeitung Nr. 205 vom Juni 2021 / I Der Füssener Leinenweber und Pfarrmesner Mang Seelos (1782 – 1853) hat in seinem „Haus- oder Aufschreibebuch“ über einen Zeitraum von 70 Jahren (1782 – 1852) wertvolle Informationen über sein Leben und das seiner Familie, aber auch über Geschehnisse in seiner Heimatstadt Füssen schriftlich festgehalten. In den Jahren 1848 und 1849 nehmen die Vorgänge um die Einberufung der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt und die Versuche, über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaates zu beraten, die Gedanken und Gefühle von Mang Seelos, einem stark gläubigen und tief königstreuen Menschen, sehr in Beschlag. Das Leben des Füssener Leinenwebers und Chronisten Ein Bericht von Uta Creutznacher Serie: Füssener Persönlichkeiten Kein Getreide nach Österreich und ein Toter beim Schmuggeln Im Jahr 1847 berichtet Mang See- los darüber, dass die Staaten Österreichs, als Folge der schlech- tenWitterung, die mit demBeginn des Jahres 1847 einhergegangen war, eine Ausfuhrsperre über Ge- treide, Hülsenfrüchte und Brot verhängt hätten. Bayern hatte vor allem aus dem zu Österreich gehörenden Böhmen viel einge- führt. Als Reaktion darauf, schloss auch Bayern seine Grenzen und hob jegliche Ausfuhr von Getrei- de, Brot und Früchten ebenfalls auf. Für das benachbarte Tirol, genauer gesagt, für das nahe Ge- richt Ehrenberg, war das verhee- rend (vergleiche auch den Bericht Mang Seelos - Teil 9 „Hungerkrawalle im Außerfern“ in der Füssener Heimatzeitung Nr. 191). Bald konnte auf der Schranne in Reutte nur noch ge- schmuggeltes Getreide verkauft werden. Mang Seelos berichtet, dass ganze Scharen bei Pfronten über den Schwarzenberg und durch das Faulenbacher Tal zum Schmuggeln hin- und her pen- delten. In der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember wurde denn auch ein junger Maurer mit 24 Jahren aus Lechaschau beim Schmuggeln erschossen. Die an- gespannte Situation imAußerfern entging nur knapp einem Auf- stand der dortigen Bevölkerung. Das Ausfuhrverbot wurde erst Anfang 1848 wieder aufgehoben. Separate Beerdigungsstätte für die Franziskaner Der Witterungsverlauf wird von Mang Seelos als komplett will- kürlich beschrieben. Zuerst zu kalt, dann wieder schön, dann mitten im Jahr wieder zu kalt, dann den ganzen Monat Juli eine Witterung, die eine wunderbar „fruchtbare Wirkung“ hervor- brachte. Trotzdem blieben die Lebensmittel teuer und die armen Leute litten großen Hunger und Mangel. ImMonat Juli des Jahres 1847 wurde mit Renovierungen und Reparaturen der Franziska- nerkirche und des Franziskaner- klosters begonnen. Eine Neue- rung dabei war, dass auf dem Fortsetzung auf Seite 96

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYxMw==