Füssener Heimatzeitung Nr. 197

24 Füssener Heimatzeitung Nr. 197 vom Dezember 2020 Ein Bericht von Elisabeth Wintergerst Serie: Außerfern Margareta Fuchs ist Natur- und Landschaftsführerin aus Brixen. Als Geschich- tenerzählerin tritt sie bei Veranstaltungen für Jung und Alt auf. In ihren Führungen verbindet sie Natur- und Landschaftswahrnehmung, Mythologie und Geschichte zu einem Gesamterlebnis. Zu Blumen, Bäumen und anderen Pflanzen hat sie seit ihrer Kindheit einen starken Bezug. Fortsetzung auf Seite 26 Bäume „Glaube mir, ich habe es erfahren, du wirst mehr in Wäldern finden als in Büchern. Bäume und Steine werden dich lehren, was du von keinem Schulmeister hörst ...“ Mit diesem Zitat von Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153) be- ginnt „Was Bäume erzählen“, das neu bei Edition Raetia er- schienene Sagen- und Legenden- buch der Autorin Margareta Fuchs aus Brixen. Sie weiß zu den über fünfzig im Buch porträtierten Baumarten – ob heimisch, exo- tisch, allgegenwärtig oder selten – zahlreiche, überlieferte Ge- schichten zu erzählen. Wissen- schaftliche Hintergrundfakten runden die Sagen ab. Wer fühlt es? Vor langer, langer Zeit, als es auf der Erde noch keine Menschen gab, stand er, der Baum, bereits da, als Mittelpunkt der Welt. Seine Wurzeln reichten hinab in die unendliche Tiefe der Unterwelt Was Bäume erzählen - Buchvorstellung in der Bücherei Reutte und seine Krone berührte die ewige Weite des Himmels. Göt- tinnen und Götter erwählten ihn als Wohnung. Zahlreiche antike Abbildungen eines Lebensbau- mes bestätigen diese tiefgründige Vorstellung unserer Vorfahren, in denen der Baum auch als uner- schöpflicher Spender von Leben und Fruchtbarkeit galt. Bäume wurden verehrt, sie schenkten den Menschen alles was sie brauchten: Behausung, Wärme, Sicherheit und sogar Medizin. Sie verbanden die Sphären, um mit der Gottheit in Kontakt zu treten. Vielfach war der Baum selbst eine Göttin und wer es fühlte, konnte aus dem Rauschen der Blätter so manche Botschaft vernehmen. So war es für manche Völker früher ein Tabu, lebende Bäume zu fällen. Baumverehrung in Tirol Die kultische Verehrung von Bäu- men dauerte in Tirol auch nach der christlichen Glaubensüber- nahme noch viele Jahrhunderte an, denn unsere Ahnen spürten noch die Kraft und das Wesen der Bäume. Und dennoch wurde manchen heiligen Bäumen der Prozess gemacht und sie mussten weichen. So fiel beispielsweise eine verehrte, doppelspitzige Lär- che in der Nähe von Nauders im Obervinschgau im Jahr 1855 der Axt zum Opfer. Der Respekt vor diesem Baum war vorher so groß gewesen, dass in seiner Nähe weder geflucht und geschrien noch gestritten werden durfte. Auch neben dem Silvesterkirch- lein bei Toblach stand früher eine uralte, riesige Lärche. An ihren Ästen befestigte das Volk höl- zerne, wächserne und aus Lehm gebildete Figuren von Mensch, Rind und Pferd. Doch dann ließ der Pfarrer den weitum als „Hei- liglarch” bekannten Baum von fremden Holzknechten fällen. Die einheimischen Hirten und Bauern der Umgebung aber verrichteten

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