Füssener Heimatzeitung Nr. 197

18 Füssener Heimatzeitung Nr. 197 vom Dezember 2020 Fortsetzung auf Seite 20 Haarschleifen für den Adventskranz Es sind die Winter in den Kriegs- jahren nach 1940, als alles in Rüstung gesteckt wird und die Kinder gar nicht an Spielzeug zu denken brauchen. Doch auch in diesen Jahren feiert die Familie von Theresia Mayr das Weih- nachtsfest, das trotz der Beschei- denheit nicht an Festlichkeit ver- loren hat. Schon im Advent be- ginnt die schöne Stimmung im Haus. Mit einemSchlitten fuhren die Kinder ins Moor, um dort die Latschen zu schneiden, aus de- nen die Mutter einen schönen Adventskranz band. Als Schmuck für den Kranz wurden die roten Haarschleifen von Theresia ver- wendet, die erst gebügelt und dann um den Kranz drapiert wur- den. Dann kam noch ein bisschen Lametta dazu und der Advents- kranz war perfekt. Über dem Ka- napee in der Stube wurde der Kranz aufgehängt und die Atmo- chenhexe geheizt. Der Rest des Hauses war kalt und Eisblumen bildeten sich an den Fenstern. Gegen 19 Uhr mussten die Kinder dann ins Bett gehen. Schon auf dem Weg in den ersten Stock wurde das Nachtgebet gespro- chen, bis die zwei Kinder, Karl und Theresia, dann imBett lagen. Damit es nicht gar zu kalt war, legte die Mutter immer zwei Ziegel in den Ofen, die sie dann später mit Leintüchern umwickelte und den Kindern als eine Art Wärm- flasche an die Füße ins Bett leg- te. Warme Füße in der Stube Übers Jahr war der Boden in der Stube ein einfacher Holzboden. Kurz vor Weihnachten schrubbte die Mutter von Theresia, Maria Mayr, die Böden auf allen vieren mit einer Wurzelbürste blitzblank. Dann kamen die großen Fleckerl- teppiche in die Stube. Diese durf- sphäre in der Stube war verzau- bert. Wenn die kleine Theresia nun müde war, legte sie sich aufs Kanapee in der warmen Stube und schlief unter dem schönen Adventskranz ein. Vater in Denklingen als Maurer Der Vater von Theresia, Josef Mayr, arbeitete übers Jahr die meiste Zeit in Denklingen als Maurer, nur an Weihnachten kam er für mehrere Wochen nach Hau- se. In einem Jahr spannte er in dieser Zeit eine Decke zwischen zwei Stühle und keiner durfte se- hen, was dahinter passierte. Die kleine Theresia war so neugierig und hielt es fast nicht aus, nicht dahinter zu schauen, doch na- türlich gehorchte sie, so wie sie es gelernt hatte. Dort wartete eine große Überraschung für sie, die aber erst später gelüftet wer- den sollte. Im Winter wurde nur die Stube mit einemKanonenofen und in der Küche mit einer Kü- Weihnachten - Ein Tag voller Zauber Serie: Weihnachten - wie es früher war In der Stube ist es mollig warm und ein Zauber liegt in der Luft. Die kleine Theresia lebt in einem kleinen Haus in Trauchgau. Das ganze Jahr ist die Familie im Garten und der Natur unterwegs, um das Haus herum wachsen Kar- toffeln, Zuckerrüben, Beeren, Kohlrabi und Kohl. Lindenblüten und Schafgarbe werden für Tee gesammelt und jeder hilft mit, wo er kann. Doch wenn die Ad- ventszeit losgeht, verlagert sich langsam das Leben in die Stube des Hauses, dort wo der Herd brennt und die Familie sich zusammenfindet. Die Tage bis Heiligabend können nun gezählt werden. Einer der schönsten Tage im ganzen Jahr. Ein Bericht von Tulie Wintergerst

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYxMw==