Füssener Heimatzeitung Nr. 193
118 Füssener Heimatzeitung Nr. 193 vom August 2020 Menschen werden geboren, wachsen heran, werden alt, kommen und gehen. Kriege werden ausgefochten, kleine und große, erst mit Schwert und Speer, dann mit großen Maschinen. Häuser werden gebaut, bewohnt, belebt, dann wieder verlassen, bis nur noch wenige Steine davon zeugen, dass sie einst dort standen. Bäume wachsen heran, werden groß und mächtig, bis sie sterben und neue Bäume ihren Platz einnehmen. Felder werden angelegt, gepflügt und bestellt, liegen brach, bis wieder jemand kommt, der sie bestellt. Trockenheit und Hitze, Kälte und Schnee, Sonne und Regen, alles kommt und geht. Die Welt wandelt sich, viele Sommer und Winter ziehen vorbei. Was sind das für Wesen, die all das miterleben, die jahrhundertelang das Treiben auf dieser Erde wahr- nehmen? Welch mächtige, tiefe Seelen müssen das sein? Was können sie uns erzählen? Die Geschichte der Eiche Ein Bericht von Margaretha Wolf Serie: Pflanzen Fortsetzung auf Seite 120 Eiche im Füssener Baumgarten. Bild: Füssener Heimatzeitung Uralte, mächtige Riesen Seit über zehn Millionen Jahren gibt es Eichen auf der Erde. Sie wachsen sehr langsam und erst nach vierzig bis sechzig Jahren blühen sie zum ersten Mal. Bis sie eine nennenswerte Menge an Eicheln hervorbringen, dauert es bis zu achtzig Jahre. Die Stieleiche (Quercus robur), die bei uns zu den häufigsten Eichen gehört, ist die größte und älteste Art und damit die europäische Baumart, die das höchste Alter erreicht. In Österreich in Bad Blumau steht eine Eiche, die bereits in einem Dokument aus dem Jahr 990 n. Chr. erwähnt wird. Da unklar ist, wie alt sie zu diesem Zeitpunkt bereits war, könnte sie die älteste Eiche der Welt sein, doch ganz sicher lässt sich das nicht be- stimmen. Im Ort Granit in Bulga- rien steht eine Stieleiche, deren Alter auf 1.600 Jahre geschätzt wird, und die Königseiche in Dä- nemark soll auch mindestens 1.400 Jahre alt sein. Der Stamm der Eiche wird im Laufe der Jahr- hunderte immer mächtiger. In Schweden im Ort Kvilleken steht eine Eiche mit einem Umfang von über fünfzehn Metern und ein Exemplar in einem Nationalpark in Polen ist über 43 Meter hoch. Eine Überlebenskünstlerin Die wohl bekannteste Eiche in Deutschland ist die Femeiche in Erle im Kreis Borken in Nord- rhein-Westfalen. Ihr Alter wird auf 800 Jahre geschätzt und sie hat einen Stammumfang von etwa zwölf Metern. Der Name Femeiche stammt daher, dass unter diesem Baum bis ins 16. Jahrhundert Fe- megerichte abgehalten wurden. An dieser Eiche zeigt sich, welch ein Überlebenskünstler sie ist. Der Stamm ist inzwischen kom- plett ausgehöhlt, er besteht nur noch aus der Rinde, sodass man darin Tische und Stühle aufstellen kann. Die Krone ist zum Großteil weggebrochen und die Äste wer- den von Holzpfählen gestützt. Dennoch treibt sie jedes Jahr fri- sches, grünes Laub und wächst und gedeiht weiterhin, allen Schwierigkeiten zumTrotz. Selbst Schädlinge, die die frischen grü- nen Triebe befallen und damit den Baum stark gefährden kön- nen, zeigt sie die kalte Schulter, indem sie einfach im Laufe der Eine Reise durch die Jahrhunderte:
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