Füssener Heimatzeitung Nr. 191

26 Füssener Heimatzeitung Nr. 191 vom Juni 2020 / II schmerzliche Sehnsucht zu spü- ren, als er bei seinem letzten In- terview, 2019 mit der Füssener Heimatzeitung, zu erzählen be- ginnt. Ein Schlossverwalter voll Leidenschaft Julius Desing war dreißig Jahre lang Verwalter des Schlosses Neu- schwanstein, das er gehegt und gepflegt hat wie sein Eigentum, ein Posten, der seinesgleichen sucht und doch wie geschaffen war für den musischen Mann. „Damals sagte mein Chef zu mir: Herr Desing, Sie als geschichts- bewusster Mensch, Sie interes- sieren sich sicher für die Schlös- ser. Ich hätte einen Schlossver- walterposten für Sie!” Es wurde zur Aufgabe seines Lebens, zu seiner Berufung. Er war nicht nur Verwalter, es war sein Leben, sein Schicksal. „Der König hat das Schloss gebaut und ich habe darin dreißig Jahre gelebt”, so Julius Desing bei seinem letzten Interview. Er liebte dieses Schloss und zusammen mit dem König begleitete es ihn fast sein Leben lang bis zum Moment seines To- des, am 19. Februar 2020. Neu- schwanstein, Spiegel der Seele eines großen und doch so ein- samen und unverstandenen Kö- nigs. Ein Schloss, so majestätisch wie der tiefgründige Alpsee zu seinen Füssen. Leuchtend weiß, wenn die Sonne strahlt; in der Morgendämmerung von Nebel- schwaden umhüllt, die aus der Pöllatschlucht emporkriechen. „Hier sind Urstrukturen amWerk”, so Julius Desing. Alles ist Ästhetik, zeugt von einem unglaublichen Feingefühl des Monarchen und seine ganze Liebe zu diesem Schloss wird spürbar. Fortsetzung von Seite 24  Altes Passfoto von Julius Desing, auf dem er noch blutjung ist. Bild: Susi Desing Gespenster im Schloss Julius Desing liebte es, amAbend alleine im Schloss zu sein. „Ich habe es sehr genossen, amAbend alleine durch das Schloss zu ge- hen, denn wenn die Leute das Schloss verlassen haben, dann hört man in der Stille, die dann herrschte, wie das Schloss lebt. Das Schloss spricht richtig mit ei- nem. Das Holz knirscht und knackt und manchmal knallt ein Fenster zu. Auch König Ludwig hat das er- lebt. Und er hat amAnfang immer gedacht, da ist jemand oben, über ihm.” Das habe man ihm dann später als Geisteskrankheit aus- gelegt, er hätte Halluzinationen. „Wir würden uns gut verstehen” Die Beschäftigung mit dem König hat sich auf Julius Desing stark ausgewirkt, „denn ich musste mich in den König hineindenken können, um ihn zu verstehen. Man kann eine geschichtliche Person nicht nur beurteilen auf Grund ihrer Taten, man muss auch in die Seele der Person ein- steigen. Und das hat natürlich zwangsläufig dazu geführt, dass ich manchmal direkt empfunden habe, wie der König empfunden habenmusste.” Und Julius Desing glaubt, wenn er dem König be- gegnen würde, es also eine See- lenwanderung gäbe, dass sie sich

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