Füssener Heimatzeitung Nr. 191

2 Füssener Heimatzeitung Nr. 191 vom Juni 2020 / II Der Gral, ein Gefäß Die Herkunft des Wortes Gral ist nicht restlos geklärt: Am wahr- scheinlichsten ist die Herleitung aus okzitanisch „grazal”, altfran- zösisch „graal”, was „Gefäß” oder „Schüssel” bedeutet. Ver- mutlich kommt es etymologisch vom griechischen „krater” was „Mischgefäß” bedeutet. Im Alt- spanischen ist „grial” ebenso wie im Altportugiesischen „gral” ein gängiger Begriff für einen Mörser oder ein mörserförmiges Trinkgefäß. Alle Überlieferungen beschreiben den Gral als ein wun- dertätiges Gefäß in Form einer Schale, eines Kelchs oder eines Steines. Die Kelten und der wunder- tätige Kessel Eine weitere, nachträglich er- schlossene Quelle für den Gral stellen keltische Sagen dar, in denen wundertätige Kessel eine große Rolle spielen – da die Kel- ten die Schrift ablehnten, sind diese Sagen erst später schriftlich fixiert worden. Nordfrankreich war über mehrere Jahrhunderte hin ein Schmelztiegel gallisch- keltischer Bevölkerungsgruppen und ihrer Traditionen. In diesem Umfeld entstand die Artus-Sage. Viele keltische Motive sind in die Gralslegende und in die Artusro- mane eingeflossen, wenn nicht der Gral sogar auf die keltische Mythologie zurückzuführen ist. Die Templer und Freimaurer sahen in Schloss Neuschwanstein einen Tempel der Freimaurer, eine Mysterienschule und in König Ludwig einen Eingeweihten. Strahlte der Mythos und das Licht des Grals für König Ludwig besonders hell, oder war er es als Mensch, der mit seinen Entscheidungen den Gral und seine Bauten zum Strahlen brachte? War König Ludwig, wie Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus, ein Gralshüter und verbirgt sich unter Schloss Neuschwanstein der legendäre Schatz des Paracelsus? Auch das Speisewunder des Grals wird schon in Vorstellungen von einemmagischen Trink- oder Füll- horn in der keltischen Mythologie beschrieben. Die keltischen Va- rianten haben, neben dem Kessel als Grals-Symbol, interessante Alternativen hinzugefügt, etwa wenn im „Peredur“, der keltischen „Parzival“-Variante, die Funktion des Grals von einem feierlich prä- sentierten, abgeschlagenen Men- schenkopf eingenommen wird. Die christliche Tradition und der Gral Es gab Zeiten, da hat fast jeder Reisende ins Heilige Land, den einen oder anderen Gegenstand mit sich in die Heimat gebracht, wenn dieser irgendwie mit der Passionsgeschichte oder einem Märtyrer in Verbindung stand. Und jeder noch so kleine Gegen- stand wurde als Heiligtum ver- ehrt. Und die Vorstellung eines Kelchs, aus dem Jesus Christus beim letzten Abendmahl mit sei- nen Jüngern nicht nur getrunken hatte, sondern in dem Josef von Arimathäa sogar das Blut des Heilands unter dessen Kreuz auf- gefangen und bewahrt hatte, er- regte die Gemüter auf das Äu- ßerste. Weiter wurde von Wun- dern gesprochen, welche dasWir- ken des Kelchs zeigen. Kelch und Gral wurden zur selben Reliquie. Auch verband sich der Mythos des Grals sehr früh mit der christ- lichen Tradition der Eucharistie. Gralskönig und Gralsritter be- wahren das Heiligtum. Neben demGral wurde die Heilige Lanze behütet. Es war die Lanze des römischen Hauptmanns Longi- nus, der mit ihr den Tod Jesu überprüfte, indem er in dessen Körper stach, sodass die Lanze von dem Heiligen Blut getränkt wurde. Die christliche Tradition ist stark mit dem Gralsmythos verwoben. Und König Ludwig II. war stark mit dem Christentum verbunden, aus voller Überzeu- gung und vollem Herzen war er ein König von Gottes Gnaden. Ein König, der das Tiefste und Reinste im Christentum gesucht hat und somit ganzmit demGrals- mythos verbunden war. Gotteslästerung So wichtig Ludwig die christlich- ritterliche Ethik war, so kritisch stand er der Amtskirche und der Römischen Kurie gegenüber. Das zeigt sich schon im Thronsaal, denn die Apsis zeigt oben Chris- tus mit Mutter Maria und Johan- nes dem Täufer. Johannes der Täufer ist ein Hinweis auf die Freimaurer, weil er der Patron der Freimaurer ist. Darunter sind heiliggesprochene Könige abge- bildet, unter anderem auch sein Namenspatron, Ludwig IX. von Frankreich. Vorausgesetzt er hätte sich einen Thron bauen lassen Fortsetzung auf Seite 4

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