Füssener Heimatzeitung Nr. 189

95 Füssener Heimatzeitung Nr. 189 vom Mai 2020 den Welten reiten konnten. Als Hagezussen wurden aber auch die alten, kräuterkundigen Frau- en in den Hecken („hag“) be- zeichnet. Die Hintergründe des Hexenbesens waren natürlich ganz anderer Art als die Kirche glauben machte. Der Hexenbe- sen bestand aus mitgebrachten Reisigzweigen und Weidenruten, mit denen ein kultischer Zaun errichtet, eine "Einhegung" vor- genommen wurde, wo der Platz geschützt und abgegrenzt war. In germanischer Kultzeit, war die Walpurgisnacht die Nacht der heiligen Hochzeit zwischen der Göttin und ihrem Heros, in deren Mittelpunkt die Vereini- gung und die Fruchtbarkeit auf allen Ebenen im Innen und Au- ßen gefeiert wurde. In dieser Nacht traf sich z. B. die heilige Priesterschaft, um ihre Nachfol- ger zu zeugen. Die Walpurgis- nacht war möglicherweise ein schamanisches Ritual. Bestimm- te Thruden (Hexen) sollten sich in dieser Nacht mit besonders ausgewählten Priestern vereinigt haben, um mit ihnen die Nach- kommen im Irminonenstand zu zeugen. Die Irminonen sind eine Gruppe germanischer Stäm- me, die Bedeutung des Namens lautet: die Großen, die Gewalti- gen, die Allverbündeten. Ihre Priester trugen Masken und ein Hirschgeweih, an welchem man den Einweihungsgrad erkennen konnte – ein typisch schamani- sches Vorgehen. Begleitumstän- de waren dionysisch-rauschhafte Zustände, Ekstase, Trance, Ver- zückung bis hin zu Raserei. Das alles dürfte für ungebetene Zu- schauer furchteinflößend und unheimlich gewesen sein. Man kann sich gut vorstellen, was daraus für Gerüchte und Ver- teufelungen entstanden sind, die dann im Mit- telalter bis zur He- xenverfolgung geführt ha- ben. ■

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