Füssener Heimatzeitung Nr. 188

59 Füssener Heimatzeitung Nr. 188 vom April 2020 licherweise auch die Gesunder- haltung der Bäume. Obwohl die Aussterberate von Arten tausend- fach höher liegt, als historisch (was vor allemmit demMenschen in Verbindung gebracht wird), muss doch gesagt werden, dass dieWichtigkeit von Totholz jedem Förster bekannt ist und viel dafür gemacht wird. Zu den faktischen Gründen, Biodiversität zu erhal- ten, kommen auch ethische Grün- de. Denn der Mensch hat der Na- tur sehr viel genommen und gibt dafür weniger bzw. viel Schlechtes zurück, was schließlich wieder auf den Menschen zurückfällt, da ganze Völker mit dem Öko- system und der Biodiversität in irgendeiner Weise verbunden sind. Die Borkenkäferentwicklung, gut oder schlecht? Für Dr. Bässler ist ein wichtiges Vorgehen zum Erhalt von Biodi- versität, das Einsetzen von Schutzgebieten. Dazu gehört na- türlich der Nationalpark Bayeri- scher Wald, den man nicht mit einem Urwald verwechseln darf, im Gegenteil. Während im 19. Jahrhundert noch urwaldähnliche Bedingungen beschrieben wur- den, wurde der heutige Natio- nalpark danach bis ins 20. Jahr- hundert als Wirtschaftswald be- trieben. Auch dort wurden alte Bäume gefällt und Fichtenpflan- zungen gemacht. Schaut man sich das Gebiet am Zwieslerwald- haus im Bayerischen Wald an, bekommt man allerdings noch ein Gefühl dafür, wie der Berg- mischwald einst in der ganzen Umgebung ausgesehen hat. Der Hauptauftrag eines Nationalparks besteht darin, zu schauen, dass die Flächen wieder so natürlich wie möglich werden, das heißt, Biodiversität und Artengemein- schaften zu erhalten. Er hat nicht den Zweck, Prozessschutz zu be- treiben, wie die Fachleute es nen- nen. „Prozessschutz ist kein Ziel, sondern könnte ein Ziel sein, um ein Ziel zu erreichen”, erklärt Dr. Bässler einfach. Als Beispiel dafür nimmt er die Zitronengelbe Tra- mete (Holzpilz) her. Diese Tramete gab es in den 80er Jahren nur in zwei Naturwaldreservaten (eines auf tschechischer und eines auf deutscher Seite) mit Bäumen, die noch ein Alter haben, das an die Urwaldzeit anschließt, und die an Standorten stehen, wo der Wald wenig genutzt wurde. Leider gibt es gar keine ursprüng- lichen Wälder mehr in Europa, es wurde schon immer etwas ver- ändert, aber dennoch weniger als in einemWirtschaftswald. Vor der ganzen Borkenkäferentwick- lung war ein Ökologe im Bayeri- schen Wald und hat den Natio- nalpark untersucht. Dabei hat er diesen Pilz nicht gefunden. Nach- dem der Borkenkäfer dann da war, wurde das Verfahren 2006/2007 wiederholt und genau dieser Pilz wurde in fast jedem Probekreis entdeckt. Dazu wird jetzt Prozessschutz gesagt, denn es ist ein typisches Beispiel für die Rückkehr einer Art nach einer Störung. Daran kann man gut se- hen, dass die Natur sich immer Neues schafft und alles in Bewe- gung bleibt, um nicht an den Ta- ten der Menschen unterzugehen. Dr. Claus Bässler ist darauf stolz und es freut ihn auch, dass so etwas auch politisch genutzt wird, denn im Landtag wurde als Be- gründung für den Erhalt der Bio- diversität genau dieses Beispiel verwendet. Da wird sonst kein Wald mehr draus! Es gab allerdings auch Zeiten, in denen es auch massive Gegen- wehr gegen Totholz imWald gab. Es existierten Morddrohungen und das Nationalparkwachtge- bäude wurde angezündet. Denn die Bevölkerung forderte, dass man das tote Holz herausholen soll und neue Bäume pflanzen soll, da sonst kein Wald mehr daraus werden würde. So befass- ten sich Dr. Claus Bässler und sein Kollege vor fünfzehn Jahren mit diesen Behauptungen. Als die Entwicklungen einigermaßen abgeschlossen waren und hohe Forstbeamte die jungen Bäume inspizierten, meinten sie: „Ja, das hätten wir aber nicht ge- dacht!” Ein Statistikprofessor fasste die Reaktion darauf pas- send zusammen: „Ja was soll es sonst werden? Ein Tennisplatz?” Eine weitere positive Erscheinung, die das Totholz mit sich bringt, ist das Auftreten seltener Vögel, zum Beispiel des Dreizehen- spechts. Gibt es nämlich tote Bäume in der Landschaft, so kom- men Vögel, die ihre Höhlen im toten Baum bauen oder sich Nah- rung aus der Rinde ziehen. Biodiversität braucht seine Zeit Bis in die 90er Jahre hat Wolfgang Sterzinger Habichtskauzkästen aufgehängt. 2007 gab es dann den ersten Nachweis eines Ha- bichtskauzes auf einer Naturbrut. Hier bestätigt sich, dass es, wenn man einen Wald in Ruhe lässt, sehr lange dauert, bis für manche Arten ein ökologischer Effekt auf- tritt. Mittlerweile gibt es weitere nachgewiesene Naturbruten. Es gibt allerdings noch sehr viel mehr Faktoren, die die Biodiver- Fortsetzung von Seite 57 Fortsetzung auf Seite 60

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