Füssener Heimatzeitung Nr. 185

29 Füssener Heimatzeitung Nr. 185 vom Januar 2020 / III Geburt einer Perle Schon als kleines Kind war Ludwig II. von Bayern der besondere Platz, auf dem später einmal Neu- schwanstein stehen sollte, aufgefallen. Irgendetwas in ihm spürte, dass dort ein bedeutungsvoller Ort war, die Berge, die naheliegenden Seen, die kö- niglichen Wälder, die tiefe und mächtige Schlucht, diese Landschaft schien wie dafür geschaffen, sich mit einem Schloss zu vereinen. Der junge König hatte eine ganz genaue Vorstellung, wie dieses Schloss aussehen sollte. Inspirationsquellen waren die Ritterburgen imMittelalter, Bühnenbilder Richard Wagners und die Wartburg nahe der thü- ringischen Stadt Eisenach. Voller jauchzender Ge- fühle schrieb der König nach seinem ersten Besuch im Mai 1867 über die Wartburg in sein Tagebuch: „Jubel Jauchzen, beim ersten Erschauen der Burg! Letztes Strahlen der Sonne, Erschauen der hehren Räume, in denen so Großes sich zugetragen, ver- setzen in die Zeiten des gottvollen Rittertums, des „Von nun an ist der Lebenszweck Vereinigung der Idealität mit der Wirklichkeit. Ohne Ideal bleibt die Realität ein träger oder toter Körper, ohne Realität schwebt das Ideal in der Luft, ist ein Scheinideal.” Dieses Zitat von König Ludwig II. stammt aus einem seiner Tagebucheinträge, kurz nachdem sein Vater, König Maximilian II., verstorben war. So viel Seelentiefe des damals noch so jungen Königs, drücken diese Worte aus. So viel Sehnsucht, seine innere Idealität von Königtummit der Wirklichkeit zu vereinigen. Die Erschaffung von Schloss Neuschwanstein, getragen von einemmythischen Landschaftstempel, erzählt von solch einer Vereinigung. König Ludwig II. hatte eine stark archaische Mentalität und Architektur war für ihn nichts anderes als die Selbstdarstellung des Königtums. So sehr er den ganzen tiefen umfassenden Mythos des Königtums liebte, so sehr sollte sein Schloss so schneeweiß und anmutig, für genau das stehen. Es sollte KönigtumWirklichkeit werden lassen. Doch bis das Schloss stand, musste noch viel pas- sieren. Am 5. September 1869 war es soweit, der Grundstein für das Schloss wurde gelegt. In diesem Moment kam Neuschwanstein auf die Welt, es wurde aus der Welt der Träume herüber ge- boren in die Realität. Und all jene, die mit dem Herzen fühlen, werden noch heute durch dessen Anblick daran er- innert, was wahres Königtum ist. Fortsetzung auf Seite 30  König Ludwig II. von Bayern fühlte mit dem Herzen und liebte voller Seele. Bild: privat

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