Füssener Heimatzeitung Nr. 185

27 Füssener Heimatzeitung Nr. 185 vom Januar 2020 / III allem Dünkel, anders wie er es bei Hofe gewohnt war. Da konnte er sich entspannen, da konnte er einfach Mensch sein. Zum Ab- schied überreichte er den beiden ein königliches Geldgeschenk, gerührt von so viel Herzlichkeit. Holzstämme versperren denWeg Der König war in seinen Bergbe- suchen oft sehr spontan. Das be- deutete, dass man nicht unbe- dingt Tage vorher schon wusste, wann er kommen würde. So auch bei folgender Begebenheit: Drei Holzknechte waren im Wald und vor allem auf demWeg damit be- schäftigt, Baumstämme vom Schachen hinunterzubefördern. Und eben da wurde bekannt ge- geben, dass der König diesen Weg hinaufkommen würde und dass sie ihn schleunigst frei räu- men müssten. Zwei der Holz- knechte bekamen es sofort mit der Angst und rannten davon. Der dritte jedoch bemühte sich, die Baumstämme vomWeg weg- zuschaffen, so gut er konnte. Während er damit beschäftigt war, kam ein Wagen vorbei. Der Holzknecht rief daraufhin dem darin sitzenden Herrn zu, er solle ihm doch helfen. Und tatsächlich stieg der Herr aus dem Wagen und es war kein anderer als König Ludwig persönlich, der es sich nicht nehmen ließ, dem Holz- knecht zu helfen. Er hörte erst auf, als alle Baumstämme hinun- tergetrieben waren. Laut seinem Verwalter Niggl soll Ludwig starke Blasen davongetragen haben. Aber vielleicht nicht nur diese Blasen, sondern auch eine tiefe Befriedigung, die so eine Arbeit hinterlässt, die ein König norma- lerweise gar nicht machen durfte. Wie der König vor einer alten Frau flüchtet Einmal begab es sich, als der Kö- nig imWald spazieren ging, dass er aus Versehen mit seinemWan- derstock den Beerenkrug einer alten Frau umstieß. Alle ihre frisch gesammelten Beeren kullerten den Berg hinunter. Und sofort begann die Schimpftirade der al- ten Frau, die wohl keine Ahnung hatte, wen sie da vor sich hatte: „Tuat er mit seimStecka so uman- andar, und's Krüagla hot dreißg Kreiza kost und d’ Beer send hin, hab den ganzen Tag brockt …”. So ging die Litanei in einem fort. Der König bekam es mit der Angst zu tun. Er streckte der Frau schnell ein Geldstück hin und flüchtete, um der Wut der Alten zu entge- hen. Erst im Nachhinein erfuhr die Frau, dass es der König war, den sie so gescholten hatte. Ob es ihr dann peinlich war und sie sich geschämt hat, ist allerdings nicht überliefert. Quelle für die netten Anekdoten ist das „s’Goldene Landl”. Hei- matblatt für die Täler an der Lois- ach, Isar und Ammer. Beilage des Garmisch-Partenkirchener Tagblattes. Jahrgang 1954. ■ Fortsetzung von Seite 23  Der Fahrweg hinauf zum Schachen, den König Ludwig II. mit seiner extra für diesen Weg konstruierten Kutsche nahm. Bild: Füssener Heimatzeitung 1 Bild: Luidger (https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:20061015-Wettersteinalm.jpg) , „20061015-Wettersteinalm”, https://creativecommons.org/ licenses/by/3.0/legalcode

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