Füssener Heimatzeitung Nr. 182

86 Füssener Heimatzeitung Nr. 182 vom Dezember 2019 Fortsetzung auf Seite 89 Das Christkindtragen „Sie tragen ein holdes Kindlein, das ist der Heil’ge Christ; es ist so fromm und freundlich, wie keins auf Erden ist.” (Robert Reinicke) Ein Bericht von Monika Philipp Serie: Brauchtum Ein alter Füssener Brauch Ein Segen für jedes Haus Unter Singen und Beten wurde das Christkind in alter Zeit durch die Stadt getragen und gefahren. Der Brauch des Christkindtragens ist in Füssen über 200 Jahre belegt und damit eine absolute Ausnahme. Mittlerweile gibt es Orte, wo er wieder auflebt, eine schöne Geschichte, die weit zurückgeht in eine Zeit, wo die Menschen für märchenhaft re- ligiöses Geschehen noch offen waren und einen tiefen, kindlichen Glauben besaßen. Mit dem Christkindtragen wollte man damals seinen Segen von Haus zu Haus tragen und die Menschen mit ihm in Berührung bringen. Wiederbelebung durch Pfarrer Steiger Es war der verstorbene Geistliche Rat Ludwig Steiger, der in Füssen den alten Brauch des Christ- kindtragens in den 80er Jahren wiederbelebte. Damals trug er, gefolgt von einer großen Kinder- schar, das barocke Christkind in feierlicher Pro- zession von der St. Mang Kirche in die Krippkirche, wie es in alten Zeiten Brauch war. Dieses Christkind aus der Barockzeit steht heute unterm Jahr in der Sakristei der Krippkirche in einem schönen Glas- kasten. AnWeihnachten thront es auf demHochaltar der Krippkirche. Auf der Brust trägt es ein Zeichen der Stifterin aus dem Jahre 1720: „Dem lieben Christkindlein/zumZiert und ewigen andenKen/Ver- ehret disses Frau Maria Barbara Pelli(n) geborene Socherin/Augspurg den 30. December A 1720.” Es sitzt auf einem eleganten Rokoko-Sessel und ist mit reich verzierten Brokatgewändern bekleidet. Die St. Mang Kirche besitzt noch eine zweite alte Christkindfigur. Sie thront um Weihnachten auf dem Hochaltar der St. Mang Kirche. Das Christkind der St. Mang Kirche ist aus dem 17./18. Jahrhundert und etwa 56 cm hoch und 29 cm breit. Auf der Brust trägt es eine Inschrift, die eine Renovierung vermerkt: Carl Danasl, 1875. Dieser war als Sohn des Amtmanns in Schussenried geboren und starb 1894 in Füssen als Uhrmacher. Liebevoll gearbeitet, trug es sogar ein weißes Unterkleid und eine Baumwollwindel, wie es sich für ein richtiges Baby in dieser Zeit gehörte. Altes Quellenmaterial Es gibt noch altes Quellenmaterial imStaatsarchiv Augsburg, vor allemalte Rechnungen des Hochstifts, die belegen, dass der Brauch in Füssen 1610/1611 noch gepflegt wurde. Folgender Eintrag ist dort zu finden. „Den Jung gesölln der Stadt Füessen, welche mit dem Kindlein Jesu Altem gebrauch nach in der Stadt umb gefahrn geben 1 fl.” Alleine aus der Aussage „alter Brauch” kannman schließen, dass er wesentlich älter war und auf jeden Fall im 15./16. Jahrhundert schon ausgeübt wurde. An diesem kurzen Eintrag ist auch noch interessant, dass der Brauch vom Hochstift bezuschusst wurde und dass Junggesellen das Christkind trugen. Der Türkheimer Heimatforscher Alois Epple schreibt, dass ein Grund für diesen Brauch der war, die Bürgerschaft im Zuge der Gegenreformation wieder mehr zu rekatholisieren. Ein weiterer Rechnungs- eintrag findet sich 1679/80: „Denen Jungen Ge- sellen, welche am Neuen Jahr Abent mit dem Christ Kindlein herumb fahren und das Neue Jahr ansin-

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYxMw==