Füssener Heimatzeitung Nr. 181

94 Füssener Heimatzeitung Nr. 181 vom November 2019 Auf einem Baum ein Kuckuck, simsalabim ... Woher kommt die Seele vor der Geburt und wohin geht sie nach dem Tod? Um eine Antwort zu finden, blickten unsere Vorfahren in die Natur. Sie erkannten, dass alles wesenhaft und belebt war. Tiere waren für sie häufig Boten, die zwischen den verschiedenenWelten vermittelten und Botschaften überbrachten. In besonderer Weise gilt dies für die Vögel, die sich frei durch die Lüfte bewegen können. Unüberschaubar ist die Mythologie, die mit dem Kuckuck verbunden ist. Der Kuckuck gilt heutzutage als „Teufelsvogel“. Da stellt sich doch gleich die Frage, warum dieser Vogel mit einer so starken magischen Be- deutung versehen wurde. So soll man seinen Geldbeutel schütteln (in anderen Gegenden das Brot), wenn man den ersten Kuckuck im Frühling hört, damit sich das Geld im Geldbeutel (oder das Brot) vermehrt. Ein Bericht von Elisabeth Wintergerst Serie: Mythologie der einheimischen Vögel Fortsetzung auf Seite 96 Unsterblichkeit und Herold der Göttin ImVolksglauben wird der Kuckuck mit Unsterblichkeit in Verbindung gebracht. Dies kann man dem Lied „Auf einem Baum ein Ku- ckuck simsalabim bambasaladu salabim …“ entnehmen. Simsa- labim ist eine uralte magische Verwandlungsformel. Und in dem Lied geht es darum, dass der Ku- ckuck zwar von einem Jäger tot- geschossen wird, aber im Frühling des nächsten Jahres wieder an der gleichen Stelle sitzt. Der Win- ter (Tod) konnte ihm nichts an- haben, da er - wie die Natur über- haupt - zur stetigen Verwandlung fähig ist. Mit „geh zum Kuckuck“ ist eigentlich „geh zum Teufel“ gemeint. Dies rührt von einer Dä- monisierung des Kuckucks her, der ursprünglich als „Herold der Göttin“ und Verkünder des Früh- lings und der Fruchtbarkeit galt. Genau auf den Punkt hat es hier das Lied: „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald” gebracht. Hier heißt es: „lasset uns sprin- gen, tanzen und singen, Frühling, Frühling wird es nun bald.” Der Kuckuck ist auch der Vogel der griechischen Göttin Hera. Ur- sprünglich hatte Hera keinen Ge- fährten, denn diese Göttin gehört noch zu einer Epoche, die nur die Liebe, aber nicht die Ehe kannte. Als aber die patriarcha- lischen Stämme über Griechen- land hereinbrachen, brachten sie den „Göttervater“ Zeus mit. Da der Glaube an die Muttergottheit zu stark war, als dass er zerstört werden konnte, wurde eine Ver- nunftehe zwischen den beiden vorherrschenden Gottheiten Hera und Zeus geschmiedet. Hera woll- te allerdings anfänglich diese Eheschließung ganz und gar nicht. Der Mythos erzählt, dass Zeus die Hera, ganz wie es seine Art war, mit einer List eroberte. Als sie, die junge wunderschöne Göttin, einmal in den Wäldern bei Argos ruhte, ließ er ein Ge- witter mit dunklen Wolken und einem heftigen Platzregen auf- ziehen und verwandelte sich in einen jungen zerzausten Kuckuck,

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