Füssener Heimatzeitung Nr. 180

29 Füssener Heimatzeitung Nr. 180 vom Oktober 2019 tun wollten. Voller Freude und Glückseligkeit rannte Ernst Schnöll die Treppen zur Wohnung seiner Familie hinauf. Die Oma war daheim und bekam riesige Augen, als sie ihren Enkel schon wieder zuhause erblickte, wurde er doch vor wenigen Stunden erst nach Pfronten gebracht. Noch heute weiß Ernst Schnöll seine Worte: „Gell, da schaugst”, die er zu seiner Oma sagte. Endlich geschafft! Nun folgten aber noch einige bit- tere und angsterfüllte Tage für Ernst Schnöll und seine Familie. Denn wenn er keine plausible Er- klärung über das Verschwinden aus dem Waisenhaus abgeben hätte können, hätte ihn die Polizei postwendend wieder zurück ins Heim gebracht. Glücklicherweise mangelte es ihmnicht an Fantasie und so erfand er eine schöne Geschichte, die jedem orientali- schen Märchenerzähler zur Ehre gereicht hätte. Es war bekannt, dass die in Pfronten gefangen gehaltenen Polen und Russen nach Kriegsende von den Ameri- kanern freigelassen wurden. Und so gab er dem Polizisten einfach zu Protokoll, dass er von einem Polen gefangen gehalten und in einer Scheune eingesperrt worden sei, aus der er sich in allergrößter Not befreien konnte und aus lau- ter Angst nach Hause lief, um den Polen zu entkommen, die ihm bestimmt noch Schlimmeres angetan hätten. Ob die Polizei ihm diese Geschichte wirklich glauben würde, stand zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen. Glücklicherweise waren dem Ernstl die Schicksalsgöttinnen wohlgesonnen. Denn zwei Tage später stand ein Bericht in der Zeitung, dass in der Gegend um Pfronten eine Frau von Auslän- dern geknebelt, gefesselt und anschließend vergewaltigt wor- den sei. Die Beamten der Füsse- ner Stadtpolizei glaubten, einen Zusammenhang zu Ernst Schnölls Geschichte zu sehen, und so konnte er endlich zuhause blei- ben. Das Leid der letzten Jahre sollte nun endlich ein Ende haben und für Ernst Schnöll tat sich eine neue Welt auf, in der ein starkes Heimatgefühl und Geborgenheit in der Familie die Wunden seiner geschundenen Kinderseele wie- der heilen konnten. ■ Fortsetzung folgt Info-Kasten Ernst Schnöll : geb. 15. März 1937 in Füssen Mutter : Maria Schnöll, 1909 - 1974 Großmutter : Zenzi Schnöll, 1888 - 1963 Heirat : 5. November 1960 mit Anneliese Egen Onkel mütterlicherseits :Hans Schnöll, 1921 - 1982 Ludwig Schnöll, 1922 - 2005 Tante mütterlicherseits : Anni Schnöll, 1925 - 1968 Bruder : Heinz Schnöll, 1941 - 1969 Schwester : Isolde Schnöll, 1947 - 1953 Kinder : Robert, Xandy, Gaby

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