Füssener Heimatzeitung Nr. 176

71 Füssener Heimatzeitung Nr. 176 vom Juni 2019 / II „Hier rauschte ein künstlicher Wasserfall, hier schien ein künstlicher Mond, der in den Phasen des wirklichen wechselte, auf die magische Flut – man denke vier Stockwerke über der Hochfläche des einsamen Felsens! Und wie ein Schwalbennest unter dem Dachfirst, so ist an dieser nachttäuschenden Grotte ein helles, glasumdecktes Gärtchen in den freien Raumhineingebaut. Schwindelnd sieht man in die entsetzliche Tiefe nieder, in welche der Bergfelsen abbricht, schwindelnd hinaus in das weite, sonnige Land. Orangen und Jasmin blühen hier, des Königs Lieblingspflanzen, und südliches Schlingkraut, und Paradiesvögel flogen frei durch die duftberauschenden Büsche.” Zitat von Adolph Graf von Westarp, 1887 Die Tiefe in der Höhe Einen Ort, an dem man dem tris- ten Herbst und dem kaltenWinter entkommen kann, wünscht sich doch ein jeder. Man träumt von einer kleinen Oase, die niemals zu schlafen scheint und in der das blühende Leben alle Sinne mit Schönheit und Feinheit be- rührt. Manchmal wünscht man sich ein kleines Geheimnis, einen Zufluchtsort, um sich allein sei- nen Erinnerungen und Fantasien hingeben zu können. Solch einen Ort wünschte sich auch König Ludwig II. von Bayern, einen Ort, an dem er sich fallen lassen und vor der Rationalität der Welt flüch- ten konnte. Der König schuf sich solch eine beruhigende Stätte mit all seiner Liebe mitten in sei- nem Schloss Neuschwanstein. Die verführerische Grotte Zwischen seinem Wohn- und Ar- beitszimmer befindet sich daher eine kleine geheimnisvolle Grotte, die der Bühnenbildner August Dirigl erbaute. Die künstliche Tropfsteinhöhle, die innen farbig beleuchtet werden konnte, ver- zaubert heute noch jeden Besu- cher schlagartig. Früher war die  Künstlerische Interpretation der Hängenden Gärten der Semiramis, Bild: Wikipedia, gemeinfrei Fortsetzung auf Seite 73

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