Füssener Heimatzeitung Nr. 176

189 Füssener Heimatzeitung Nr. 176 vom Juni 2019 / II Am französischen Hofe Das heutige Parfüm wird als eine Erfindung der Franzosen gefeiert. Da es im französischen Mittelalter als gänzlich unschicklich und un- gesund galt, sich zu waschen, bot sich das Parfüm an, als eine Wolke aus Duft bestimmte äu- ßerst menschliche Gerüche zu übertönen. Waschen schade der Haut, sagte man bei Hofe. Es weiche sie auf und mache sie durchlässig für allerlei Ungesun- des, das dann in den Menschen eindringen könne. So eine kleine Dreckschicht dagegen schütze den Menschen vor eindringenden Krankheiten, mahnten die Ärzte. Toilette und Eau de Toilette Dass es um die Toilette am fran- zösischen Hof im 17. Jahrhundert nicht gut bestellt war, steht mitt- lerweile in jedemSchulbuch. Am adeligen Hofe gab es zwar Abtritte und Plumpsklos, bisweilen auch einen Klostuhl, die Mehrheit drückte sich jedoch in eine Fens- ternische oder hinter eine Säule und ließ danach die Bediensteten das Häuflein beseitigen. Es gibt sogar die Theorie, dass der ganze Hof von Zeit zu Zeit das Schloss wechselte, damit es in der Zwi- schenzeit gesäubert und von den misslichen Gerüchen gereinigt werden konnte. Da kam das Par- füm doch gelegen, um die menschlichen Düfte zu übertönen und unter eine Wolke von Eau de Toilette verschwinden zu las- sen. Eau de Toilette - der Name stammt aus dieser Zeit: Da es keinen festen Ort für die Entlee- rung von Blase und Darm gab, legten die Bediensteten für ihre Herrschaften Tücher aus, die mit verdünntem Parfüm getränkt wa- ren. So konnte sich Madame oder Monsieur in jedem beliebigen Zimmer oder Flur und in jeder Lebenslage erleichtern. Den Hö- hepunkt dieser kulturellen Eigen- heit finden wir zu Zeiten des be- rühmten Sonnenkönigs Ludwig XIV. an dessen Hof. Und damit natürlich auch den Höhepunkt der Entwicklung des französi- schen Parfüms. Provence - ein Reichtuman Düften Natürlich kommt das Vorbild des Parfüms aus der Natur. Ein Spa- ziergang durch die Provence im Frühjahr und Sommer weckt die Sinne auf. Ein Meer von Wohlge- rüchen aus blühenden Blumen und Büschen lässt uns träumen und entzückt uns. Es sind Jasmin, Bergamotte, Zitrusfrüchte, Oran- genblüten, Rosendüfte, Laven- delfelder, um nur wenige zu nen- nen, die uns hier betören und in unendlicher Fülle wachsen und gedeihen. Die reichhaltige Natur ist hier die Vorratskammer, das Farbenspiel, aus dem die Parfü- meure sich bedienen, um ihre Kreationen zu entwerfen. So wur- de die Stadt Grasse in der Pro- vence der Ursprungsort der heu-  Münchner Kanalisation, unter König Ludwig II. erbaut, heute noch in voller Funktion 1 Fortsetzung auf Seite 191

RkJQdWJsaXNoZXIy NzY4NDY3