Füssener Heimatzeitung Nr. 176

115 Füssener Heimatzeitung Nr. 176 vom Juni 2019 / II Die Kemenate war schon immer einer der wichtigsten Räume einer Burg. Denn die Kemenate war oft der einzige beheizte Raum und bot somit Schutz und Heimat für Familie und für Kranke. In der kalten Jahreszeit war eine Burg nicht beheizt und somit war die Kemenate der heimatliche, warme Schoß der Burg und somit war die Kemenate wie der warme und liebende Schoß einer Mutter oder einer geliebten Frau. In der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts in Zusam- menhang mit dem Minnegesang wurde diese wichtige Stätte als Frauengemach bezeichnet. Dieser Begriff ist heute noch vor allem in Verwendung für den Begriff der Kemenate. Ludwig II. hat bei Schloss Neuschwanstein die Kemenate in großer Dimension als Teil des Gebäude-Ensembles entworfen. Erinnerung an die Gralsburg zu Antwerpen So wie König Ludwig II. von Bayern ein feiner und zutiefst edler Mensch war, so verehrte er auch die Frauen und die Weiblichkeit. In seiner wohl be- rühmtesten Schöpfung, Schloss Neuschwanstein, plante er, neben vielen weiteren Visionen, eine Kemenate, ein Damenhaus. Ein Gebäude, welches Rückzugsort und gleichzeitig, im tieferen Gebrauch, ein Tempel für die Frauen sein sollte. Die Kemenate befindet sich auf der Südseite des Hofes von Neu- schwanstein. Sie ist drei Stockwerke hoch und war als Damenhaus, als Gegenstück zum Ritterbau gedacht. Jedoch wurde das Gebäude nie als Da- menhaus genutzt, da es erst nach dem Tod Ludwigs II., im Rahmen der Fertigstellung des gesamten Gebäudekomplexes, zu Ende gebaut wurde, aller- dings viel einfacher als Ludwig es angedacht hatte. Die Kemenate und der Ritterbau entstammen dem 1. Akt der Oper Lohengrin von Richard Wagner. Sie sollen an die Gralsburg zu Antwerpen erinnern. Wie weit die Verehrung Ludwigs ging Schloss Neuschwanstein war unter anderem ein Ausdruck der unendlichen Liebe, die König Ludwig II., für Richard Wagner empfand. Die Verehrung der Oper Lohengrin spiegelt sich bei Neuschwan- stein nicht nur auf den Wandgemälden imSchloss, sondern auch im Äußeren wider, so eben auch in der Kemenate. Vor des Königs Tod betrat Richard Wagner das Schloss nicht mehr, und konnte nie das Wunder sehen, welches Ludwig durch seine Inspiration geschaffen hatte. Das Schloss war nie für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt, es war vielmehr nur für Ludwigs Seele, ein Eintauchen in eine tiefe Heiligkeit. Der Bau der Kemenate war Fortsetzung auf Seite 116  Bild: Füssener Heimatzeitung

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