Füssener Heimatzeitung Nr. 176

107 Füssener Heimatzeitung Nr. 176 vom Juni 2019 / II Der schicksalsträchtige Baumstamm So schilderte Uwe Wilsdorff, der Sohn von Walter Wilsdorff, den wohl schicksalsträchtigsten Tag sei- nes Lebens gegenüber Uwe Trebbin von BR2. Es war der 28. Oktober 1953, die Waldarbeiter hatten gefällte Baumstämme den Hang hinunterrutschen lassen, während Walter Wilsdorff unten auf der Schlossstraße stand und schaute, dass kein Tourist in Gefahr geriet. Dass er selbst in höchster Gefahr  Walter Wilsdorff auf seinem geliebten Neuschwanstein. Hier konnte er seinen Blick weit über das Land schweifen lassen. Die Auf- nahme ist datiert auf 1949. Bild: Privat schwebte, ahnte er in diesem Moment nicht. Er stand während des ganzen Vorgangs mit dem Rücken zum Berg. Uwe Wilsdorff erzählt , dass plötzlich von oben ein schwerer Baumstamm durch den Hohlweg heruntergeschossen kam und einen auf der Stütz- mauer liegenden Stamm wegge- spickt habe, der dann wiederum auf seinen Vater stürzte. Der da- mals erst zehnjährige Sohn war zu diesem Zeitpunkt gerade auf dem Heimweg von der Schule. Als er den Schlossberg hinauf- kam, sah er seinen Vater am Bo- den liegen und auch wie der Schienbeinknochen aus dem Strumpf herauskam. Der Vater hatte seine Haferlschuhe an und eine Lederhose, wie immer. Bei- des waren seine Hauptbeklei- dungsstücke. Der Schlossverwalter und seine Haferlschuah Diese Haferlschuhe gibt es heute noch. Sie sind bereits 79 Jahre alt und wurden immer weiter ver- erbt. Später trug sie dann sein Enkel Arne, der sie wiederum sei- nem Freund, Uwe Trebbin, wei- tergab. Man kann also mit gutem Gewissen sagen, ein Schuh, der viel erlebt hatte und viel erzählen könnte. Ein Schuh, der auch den Tod sah, der die letzten Momente seines Trägers in sich aufsog und speicherte. Wenn ein Schuh ein Erinnerungsvermögen haben soll- te, so könnte er uns über die letzten Sekunden und Minuten erzählen, wie der Mann in seinen Schuhen plötzlich umgerissen wurde, wie er aufschlug und sich nicht mehr bewegte, er, der immer so gerne und viel mit seinen schö- nen Haferlschuhen herumgelau- fen ist. Wie hatten sie es genos- Fortsetzung auf Seite 108

RkJQdWJsaXNoZXIy NzY4NDY3