Füssener Heimatzeitung Nr. 174

20 Füssener Heimatzeitung Nr. 174 vom Mai 2019 Nachruf auf Dr. Hans Haid wöll wöll ietz ischtar drleaset dear mit seir sensen ischt keemen alles oogemaat hotnen ghöölt schnüerschtrocks mecht i moan in himml zebrcht auhn olles völl piechr und zettle deet döübn sall wöll (Text der Todesanzeige) Ein Bericht von Elisabeth Wintergerst Fortsetzung auf Seite 22 Serie: Brauchtum und Mythologie Er war dabei Von Frankreich bis Slowenien, über die Schweiz nach Italien, Deutschland und Österreich zieht sich eine Welt der bisher kaum bekannten Kult- stätten und Sagen - die Alpen. Hans Haid erwanderte und erkundete geheimnisvolle Wallfahrtsorte, hoch hinauf zum Rocciamelone auf über 3500 m, von Maria Alm über das Steinerne Meer zum Königssee, von Fusch über die Hohen Tauern nach Heiligenblut. Auf seinen Wegen rund um Großglockner, Mont Blanc, Dachstein, Triglav oder Similaun trifft er auf die alte „religio“, Kulte, heilsame Quellen und Stätten, an denen totgeborene Kinder notgetauft wurden und sich jahrtausendealte Orte der Mut- tergöttin befanden. Der Alpenmythos begleitet die längst vergessenen Totenzüge, erinnert an die alten Betkugeln und erhält Rituale wie Kreisziehen und Bann am Leben. Die Saligen und Aldeunen, das Vreneli, die Weiße Frau am Gletscher und das „rotzige Weibl“ („muma veglia“) - sie alle zeugen von der Vielfalt der alpinen Kultur. Ob ein Apol- lontempel am Hundstalsee in Tirol auf über 2200 Metern Höhe oder die Entdeckung der Gletscher- mumie „Ötzi”, die Hans Haid nach der Auffindung als erster zeitlich einordnen kann, Hans Haid ist dabei, ist genialer Inspirator und Übersetzer in einen Kulturraum hinein, welcher der unsere ist und uns doch so fremd. Denn so oft kennt man etwa die Pyramiden in Ägypten besser, als das, an was unsere Ahnen geglaubt haben. Ein Mischwesen Hans Haid war und ist ein Mischwesen zwischen Bergbauer, Volkskundler, Sagenforscher, Dichter, Archivar, Philosoph und Buchautor. Er verstand es, der Natur und ihren Geschichten zuzuhören, ihre Sprache zu erlernen. Als Mittler zu den Geist- wesen der Ötztaler Alpen konnte er nicht anders, als den Massentourismus und dessen Zerstörungs- kraft aufs schärfste zu verurteilen. So war er heftig umstritten, denn er war Grenzgänger und dem Ruf des Geldes nicht hörig. Er erkannte die Magie in seiner unmittelbaren Umgebung. Hans Haid zählte zu den bekanntesten und umstrittensten Persön- lichkeiten des Ötztals. In den fünf Jahrzehnten seines literarischen Schaffens veröffentlichte er an die 30 Bücher. In zahlreichen Bildbänden und Sachbüchern beschäftigte er sich mit kulturge- schichtlichen Themen des Alpenraums, Brauchtum,

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