Füssener Heimatzeitung Nr. 172

25 Füssener Heimatzeitung Nr. 172 vom März 2019 / II Ort: Nassereith, Ortsteil Fernstein, Bezirk Imst, Bundesland Tirol (Österreich) Unterkunft: Gasthof Fernstein Wirtsfamilie: Engelbert und Anne Sprenger Zerstörung: Das Gasthaus Fernstein ist 1907 einem Brand zum Opfer gefallen Letzter Besuch König Ludwigs II. von Bayern am Fernstein: 19. Januar 1886 Umgebung: Fernsteinsee mit Insel und Ruine Sigmundsburg darauf Quellen: Erich Adami, Mario Praxmarer und Peter Adam „König Ludwig II. in der Bergeinsamkeit von Bayern & Tirol”, Recherchen Info-Kasten wiederholt von Ludwig II. in ein Gespräch gezogen worden war, die Erfahrung über, daß der König bei der geringsten Aufdringlich- keit oder Mißachtung sofort und für immer die Stätte mied, an der ihm solches passierte. Als die Bauersleute, bei denen er auf seinen Fahrten nach dem Fernstein die Pferde wechseln ließ, zu zutraulich wurden, hielt nie mehr sein Prunkgefährt vor deren Hof. Obwohl Ludwigs II. Fahrt nie angemeldet war, fand er doch bei seinen plötzlichen Besuchen mitten in der Nacht das Gasthaus inmitten der welt- abgeschnittenen verschneiten Bergwelt für seinen Besuch vor- bereitet. Das war kein Wunder, sondern eine Aufmerksamkeit der Wirtsleute, die einen eigenen Mann angestellt hatten, der Nacht für Nacht ungefähr einen halben Kilometer von dem Berggasthof entfernt die Straße überwachte, die in langgestreckten Serpenti- nen aus der Tiefe des Tales zur Höhe des Passes führte. Sowie der Wächter den Schlitten in Sicht bekam, gab er ein Leuchtzeichen. In demselben Augenblick, in dem der geisterhafte Zug in die letzte Kehre einbog, erstrahlte das Kö- nigs Tusculum im Kerzenglanz. Diesen phantastischen Anblick, den das hell erleuchtete Haus vor den verschneiten Felskulissen darbot, wollte Ludwig II. auch beim Verlassen des Fernsteins nicht missen, so daß die Kerzen so lange brennen mußten, bis des KönigsMärchenschlitten über den Paß hinweg in die Tiefe der Nacht hinein verschwunden war.” Ludwig legte seine Menschenscheu ab Perktold weiß noch von mehr Anekdoten zu berichten: „Aber ab und zu kam es doch vor, daß die Gaststätte trotz aller feen- haften Beleuchtung und der rings- um aufgesteckten Fackeln nicht ein Mal auf Pferdelänge zu sehen war, weil ein plötzlich aufgekom- mener Sturm den ganzen Paß in rauchende Schneefahnen hüllte. „Majestät, fahren Sie nicht, es gibt Sturm!“, warnten ihn in sol- chen Situationen die Lermooser, die den König sehr liebten. Doch Ludwig II. schob all diese wohl- gemeinten Warnungen beiseite. Er kannte keine Angst, selbst wenn die Lawinen den Lermooser Talkessel erschütterten, setzte er seine Fahrt fort. Ebensowenig vermochte ihn die grimmigste Kälte von der nächtlichen Reise abzubringen. In seinen späteren Jahren pflegte er auch manchmal die Weihnachtszeit bei seinen Wirtsleuten zu verbringen. Da legte der König seine Menschen- scheu vollkommen ab. In dem roten Zimmer wurde ein großer Christbaum aufgerichtet, unter dem Ludwig II. Geschenke für die Wirtsleute, deren Kinder und das Gesinde häufte. Meine Groß- eltern erzählen, wie Bergbauern, die von der Christmette heim- kehrten, dem gespenstischen Schlittenzug begegneten. Sie ver- neigten sich tief und der König grüßte leutselig. Noch lange sa- hen sie die Fackellichter durch die Christnacht fliegen. Das Schellengeläute des Gespanns klingelte feierlich wie in einem Märchen ...“ ■ Fortsetzung von Seite 22

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