Füssener Heimatzeitung Nr. 171

156 Füssener Heimatzeitung Nr. 171 vom März 2019 / I Wenn der Funke fliegt Funkenfeuer - ein uralter Brauch lebt weiter Dürre Christbäume werden aus den Häusern zusammengetragen. Mitten im Dorf wird ein Haufen errichtet, der in Kürze mit seiner brennenden Macht die Menschen in Bann ziehen wird. Das Feuer prasselt, die Funken sausen in den dunklen Nachthimmel, als würden sie als Sterne am Himmel ewig glühen. Es ist das Funkenfeuer, das jedes Jahr am ersten Sonntag nach Aschermittwoch im Allgäu und Tirol stattfindet. Ein Brauch, dessen Wurzeln schon sehr alt sind, älter als so mancher vermutet. Ein Bericht von Tulie Wintergerst Fortsetzung auf Seite 159 Serie: Brauchtum Ende des Winters Die Wurzeln des Funkenfeuers sind sehr alt. Woher dieser Brauch genau stammt, ist bis heute nicht klar. Jedoch ist sicher davon aus- zugehen, dass dieses alte Kul- turgut noch aus vorchristlicher Zeit stammt. Die meisten Men- schen verbinden mit diesem Brauch das Austreiben des Win- ters. Wenn der wilde Fasching gefeiert ist, kann die Natur sich von Schnee und Eis verabschie- den. Nun ist wieder Platz für das neue Jahr. Die Bauern bereiten sich darauf vor, die Felder zu be- stellen. Alte Fruchtbarkeitsrituale Immer wieder wird aber auch ver- mutet, dass das Funkenfeuer, das vielerorts auch einfach „Fun- ke“ genannt wird, nicht nur die Bedeutung desWinteraustreibens hatte, sondern in früheren Zeiten ein Fruchtbarkeitsritual für die Felder war. Die Menschen wollten ihre Felder undWiesen mit einem rituellen Feuer segnen und damit die Götter um eine gute Ernte bitten. Mancherorts wurden sogar um das Feuer Tänze gemacht, welche die Bitte um den Segen noch verstärken sollten. Denn so wie das Jahr sich dreht, drehen sich auch die Menschen und das Schicksalsrad. Heute findet man an der Spitze des Feuers, wie hier in Füssen, eine Hexe. Man kann davon ausgehen, dass dies ein überliefertes Symbol der Korn- mutter ist, die im Funkenfeuer rituell geopfert wird, um für eine reiche Ernte im neuen Jahr zu bitten. Die Asche der Funkenfeuer wurde dann auf die Felder aus- gebracht, um den Kreis von Aus- saat und Ernte zu schließen. Funkenwache Im Lauf der Jahre entwickelte sich ein üblicher Streich der Dorfbur- schen. In der Nacht vor dem Fun- kensonntag wurde mancherorts der schon vorbereitete Holzhau- fen angezündet, um das Fest am nächsten Tage zu verhindern. Zum Teil war es nur ein Streich, doch gab es auch bösartige Grün- de. So wollte man die benach- barte Dorfgemeinschaft symbo- lisch und wirtschaftlich schädi- gen, indem man das Fest mit dem zu früh abgebrannten Feuer ausfallen ließ. Ein Fest ohne Feu- er, das ist schlecht vorstellbar. So konnten all die Wirte und Gas- tronomen keinen heißen Glüh- wein und nicht die berühmten Funkenkiachl, in Schmalz ausge- backener Hefeteig, verkaufen, die zu dem Fest mit dazu gehören. Umdieses Unglück zu vermeiden, wurden die Holzhäufen von eini- gen jungen Männern bewacht. Manch eine Gemeinde schützte sich vor diesem üblen Streich

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