Füssener Heimatzeitung Nr. 169

74 Füssener Heimatzeitung Nr. 169 vom Februar 2019 / I Verständlich für Jedermann Schon bei den ersten ihrer ins- gesamt 188 Artikel fällt eine po- sitive Besonderheit auf: Artikel 1: „Bayern ist ein Freistaat.”, und Artikel 2: „Bayern ist ein Volks- staat. Träger der Staatsgewalt ist das Volk.”. Die Sätze sind kurz, bündig und klar verständlich ge- schrieben. Für Wilhelm Hoegner, Vater der Bayerischen Verfassung, war klar, dass ein Gesetzbuch, das für jeden gilt, auch von jedem verstanden werden muss. Keine Selbstverständlichkeit, vergleicht man die Verfassung mit anderen Gesetzestexten, wie etwa der All- gemeinen Erklärung der Men- schenrechte. Drei Verfassungen Weiter klärte Heigl auf, dass es mehr als nur eine Bayerische Ver- fassung gab. Die erste Verfassung trat 1818, also vor 200 Jahren in Kraft, welche sehr durch die Mo- narchie geprägt war. Diese wurde 1919 durch eine erste demokra- tische Verfassung Bayerns abge- löst. Nach dieser trat am 08. De- zember 1946 unsere heutige Ver- fassung in Kraft, erarbeitet von Wilhelm Hoegner in seinem Schweizer Exil, in das er flüchten musste, da er von den Nazis ver- folgt wurde. Als Kutscher auf Herrenchiemsee Wichtig für Heigl war, anhand von Geschichten aus seinem Le- ben zu erklären, wie er zum The- ma Verfassung und deren Philo- sophie gekommen ist. Heigl war in seiner Jugend auf der Herren- insel im Chiemsee als Kutscher tätig. Im Zuge seiner Arbeit erfuhr er, dass im Alten Schloss auf der Insel der Verfassungskonvent tag- te, um eine deutsche Nachkriegs- verfassung zu erarbeiten. Gepackt von diesem Thema dauerte es nicht lange, bis sein Interesse auch der Bayerischen Verfassung selbst galt. Wie Ludwig II. zu der Insel kam Zur Freude der Zuhörer erzählte Heigl noch eine nette Anekdote über König Ludwig II. von Bayern in Zusammenhang mit der Her- reninsel. Es war so, dass die Her- reninsel, bevor sie Ludwig ge- hörte, im Besitz eines Stuttgarter Holzfäller-Unternehmers war. Die- ser interessierte sich lange Zeit nicht für die Insel, irgendwann hatte er jedoch die Idee, die Bäu- me auf der Insel zu Geld machen zu wollen. Die Gemeinden rund um den Chiemsee waren zutiefst empört, als sie sahen, wie ein Baum nach dem andern auf ihrer geliebten Insel gefällt wurde. Sie verfassten ein Bittschreiben an Ludwig II., welches er erhörte. Kurz darauf kaufte Ludwig die In- sel demUnternehmer ab und ver- anlasste sofort, dass kein Baum mehr gefällt werden darf. Fast jeder ist Philosoph - mehr oder weniger Weiter führte Heigl aus, dass Ge- danken über das Miteinander und darüber wie man durchs Le- ben gehen will, philosophische Fragen sind. Unsere Verfassung Wie viel Philosophie steckt in der Bayerischen Verfassung? „Einer der schönsten Liebesbriefe, die es gibt.”, so nannte der berühmte Jour- nalist Heribert Prantl die Bayerische Verfassung. Tatsächlich hat unsere Verfassung bei näherer Betrachtung viel Liebenswertes. Und dass in diesem eigentlich so trockenen Schriftstück auch noch eine ganze Menge Philosophie steckt, erklärte Dr. Peter Heigl im Rahmen eines spannenden Vortrags über die Philosophie der Bayerischen Verfassung am 18. Oktober 2018 im Colloquium des Klosters St. Mang. Ein Bericht von Johann Karrer Serie: Philosophie

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