Füssener Heimatzeitung Nr. 162

95 Füssener Heimatzeitung Nr. 162 vom September 2018 Panzerkolonne, voran die Parla- mentäre, in Bewegung. Schon bald erreichten sie die Kemptener Straße. Kein Schuss. Man hielt unterhalb des Schlossberges an der Ritterstraße. Kein Schuss. Die Infanterie drang mit Waffen in die Altstadt ein. Kein Schuss. Die Offiziere beschlagnahmten das Druck- und Verlagsgebäude des Füssener Blattes. Kein Schuss. Weitere US-Truppen, auchmotorisierte, durchkämmten die ganze Stadt. Alles blieb fried- lich. Die Übergabe war geschafft! Unsicherheit und Erleichertung Captain Burke vom 3. Bataillon des 71. US-Infanterieregiments nahm sofort die Amtsgeschäfte auf. Während in anderen Städten von der US-Besatzungsmacht häufig unbescholtene Männer zum neuen Bürgermeister ge- macht wurden, besaß Füssen be- reits einen in Form der äußerst fähigen und glaubwürdigen Per- son von Eduard Feigel. Captain Burke bestätige Eduard Feigel als kommissarischen Bürgermeis- ter und Xaver Stöger zum kom- missarischen Polizeichef. Er wür- digte die Arbeit der Füssener Wi- derständler. Die ersten Tage nach dieser amerikanischen Übernah- me waren noch voller Unsicher- heit, die Menschen blieben in ihren Luftschutzkeller und ver- ließen auch später kaum das Haus. Ausgehsperren wurden verkündet und die Bewegungs- freiheit auf einen Radius von 6 km beschränkt. Trotz aller Unsi- cherheit war das herrschende Gefühl eine tiefe Erleichterung und Glück, dass diese grausame Kriegs- und Regimezeit nun ihr Ende gefunden hatte. Vermisst oder gefangen Man kann sich unschwer vorstel- len, in welch desolater Verfassung die Stadt Füssen zu diesem Zeit- punkt war. Die Menschen waren in vielerlei Hinsicht geschwächt, verunsichert, es herrschte Armut und Hunger, viele Füssener waren imKrieg gestorben, andere galten noch als vermisst oder waren in russischer, französischer und amerikanischer Gefangenschaft. Was sonst als selbstverständlich galt, war in dieser Zeit nicht un- bedingt gängig. Man wußte nicht, wie die Amerikaner mit den Deut- schen weiter verfahren würden, wie sollte es mit dem zerstörten Land überhaupt weitergehen? Kein Mensch hatte zunächst Geld, um Aufbauarbeit zu leisten und im Grunde war man einfach nur froh, diese Jahre des Schreckens überlebt zu haben. Feigel war genau der richtige Mann In dieser vorherrschenden Stim- mung von Unsicherheit und Angst, war Eduard Feigel genau der richtige Mann. Sein klarer, zielgerichteter Geist, seine Cou- rage und Geradlinigkeit, seine diplomatische und aufrichtige Kommunikationsfähigkeit und sein struktur- und aufbaugerich- tetes Handeln sorgte in Füssen Schritt für Schritt für Vertrauen in den Menschen und das Gefühl, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Es war zu spüren, dass nun wieder Gerechtigkeit herrschte und zukunftsorientier- tes Handeln im Vordergrund stand, auf das man sich verlassen konnte und welches frei von po- litischen Ausrichtungen war. Edu- ard Feigel leitete die Geschicke der Stadt in dieser schwierigen Phase in bewundernswerter Art und Weise. Er verstand es, den Kontakt zu den amerikanischen Besatzungsmächten in respekt- vollem und zugleich freundschaft- lichemStil zu pflegen. Doch wollte er wirklich Bürgermeister von Füs- sen bleiben? ■ Fortsetzung folgt

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