Füssener Heimatzeitung Nr. 162

168 Füssener Heimatzeitung Nr. 162 vom September 2018 gestellt haben. So fuhren sie also los, kamen aber nicht bis Ameri- ka, weil sie schon vor der Ein- schiffung das ganze Geld verju- belt hatten. Stattdessen kehrten sie völlig mittellos nach Füssen zurück. Dort sollen sie laut Rudi- bert Ettelts Chronik noch einmal Geld für die Überfahrt bekommen haben. Diesmal muß es geklappt haben, denn HermannWegschei- der kam blutjung, mit circa 17 Jahren, in Amerika an. Er blieb etwa zehn Jahre in Amerika, er- warb 1904 die amerikanische Staatsbürgerschaft und kehrte 1907 wieder zurück. Um den Wehrdienst in der Heimat kam er drumherum, weil er sich als amerikanischer Staatsbürger aus- weisen konnte. Kleines Anwesen in der Floßergasse Auf jeden Fall erwarb er 1922 ein Haus in der Unteren Spitalgasse Der Beginn Aber gehen wir erst einmal hun- dertachtunddreißig Jahre zurück, zum 26. März 1880. Es war Sams- tag, als Hermann Wegscheider inWank bei Nesselwang geboren wurde. Die Familie war eher arm, sein Vater Wegmacher. Als er he- ranwuchs, zogen sie nach Füssen, weil sein Vater dort eine Anstel- lung in den Hanfwerken fand. Hermann selber erlernte das Bä- ckerhandwerk, trat dann aber ebenfalls in die Hanfwerke ein. Er kam also aus einer einfachen Arbeiterfamilie, der damals so- genannten vierten Klasse. Auswanderungsgedanken Während dieser Zeit, etwa um 1897 muß es gewesen sein, dass Hermann Wegscheider und sein Freund den Gedanken hatten, nach Amerika auszuwandern. Das Geld dazu soll ihnen der da- malige Stadtpfarrer zur Verfügung Von der Floßergasse in Füssen ins KZ Flossenbürg Es ist mittlerweile achtundsiebzig Jahre her, dass die Nazischergen Hermann Wegscheider abholten, ins Gefängnis steckten und dann ins Konzentrationslager Flossenbürg deportieren ließen. Damals war er bereits sechzig Jahre alt und einem Konzentrationslager (KZ) mit Zwangsarbeit eigentlich nicht mehr ge- wachsen. Im Grunde war sein Leben eine Odyssee, von Füssen nach Amerika und wieder zurück, aber dass es in einem KZ enden würde, das ist eine tra- gische Geschichte. In Füssen erinnert noch heute eine Straße an ihn, die nach ihm benannt wurde, wie auch eine Gedenktafel an der Aussegnungshalle im Waldfriedhof. Ein Bericht von Monika Philipp (heute Floßergasse 11) zusammen mit seiner Frau Maria, die eine geborene Reiser war. Das Geld konnten sie ausmehreren kleinen Erbschaften zusammenkratzen. Zu diesem Haus gehörten auch einige Moosgrundstücke, wie es damals so üblich war. Dort konnte man zum Beispiel Holz schlagen für den Winter. Die Familie hielt Kleinvieh, unter anderem auch Schweine, die wenig Platz brauch- ten und die man dann in heimli- chen Nachtaktionen „schwarz” schlachtete, da es aufs strengste verboten war. Aber an dieses Ver- bot hielt sich zumindest in der Floßergasse keiner. Alle Nachbarn hatten Schweine, und alle Nach- barn schlachteten „schwarz”, so- mit hielten auch alle dicht. Diese geheime Fleischration half den Wegscheiders durch den Krieg und die kargen Zeiten. Zeitweise hielten sie sogar ein Pony für Serie: Innere Lechvorstadt von Füssen Fortsetzung auf Seite 174 Hermann Wegscheider

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