Füssener Heimatzeitung Nr. 161
121 Füssener Heimatzeitung Nr. 161 vom August 2018 / II Prinz Otto war des Öfteren für freche Taten zu haben Einem freundlichen Herren wünscht man einen guten Morgen „Es war der 5. Mai, das ange- nehmste Frühlingswetter beglei- tete den für mich so merkwürdi- gen Tag und der Ostwind durch- lüftete etwas schneidig meine Werkstatt...“ Es war im Jahr 1830 oder 1829, die zweite Möglichkeit fügte eine unbekannte Hand nachträglich mit einem Ausrufe- zeichen noch hinzu, als Ulrich Mehrl diesen für ihn so bedeu- tenden Tag in seinem Tagebuch vermerkte. Ein überaus freundli- cher junger Herr ging an diesem Vormittag an seiner Werkstatt vorbei und lugte zu ihm hinein. „So einem freundlichen jungen Herren“, dachte sich Ulrich Mehrl, „dem muss man einen Guten Morgen wünschen.“ Also ging er aus der Türe hinaus und tat, was er sich gedacht hatte. Daraus entwickelte sich ein angenehmes Gespräch, in dem hauptsächlich der fremde Junge Herr unerläss- lich Fragen stellte. Wie ist das Befinden des Wagners Ulrich Mehrl? Und was bauen die Bauern in dieser Gegend an? Wird auch Weizen kultiviert? So ging es im- mer fort. Erstes Interesse an der Burgruine Hohenschwangau „Durch das ehrende und freund- liche Wesen und der schlichte Anzug dieses jungen Herren er- mutigte mich, ihn eben etwas Fragen zu wollen,...” Doch zu ei- ner Frage von Ulrich Mehrl kam es gar nicht mehr, denn genau in diesem Augenblick betrat ein dritter Herr die Szenerie. Dieser war etwa 38 oder 40 Jahre alt und trug ein Ordensband an sei- ner Brust. Zuerst verneigte er sich vor dem jungen Herren und fragte und im Besonderen die jetzige Burg Hohenschwangau, die da- mals fast komplett verfallen war. Das waren bereits erste Vorah- nungen der Liebe Maximilian II. zu diesem Platz und dieser Ruine, die er nur wenige Jahre später in seinen eigenen Besitz brachte und zu einer prachtvollen Som- merresidenz ausbauen ließ. Mehrl beschreibt, dass er seine Ant- worten für die unzähligen Fragen immer noch nach seinem besten Wissen gab, lange jedoch nicht mehr so unbefangen wie vorher, höflich nach, was hier vor sich ginge. Er nehme Notizen, war die Antwort des jungen Herren. We- gen der Verhaltensweise des äl- teren Herren wurde Ulrich Mehrl augenblicklich klar, dass es sich bei seinem Gast nicht um einen einfachen Handelsmann oder ähnliches handeln konnte. Sofort verabschiedete er sich von seiner bisherigen gemütlichen Haltung, die ihm plötzlich ein wenig pein- lich war. Und die Fragen nahmen kein Ende. Ein außerordentliches Thema im Gespräch waren die zwei Ruinen bei Hohenschwangau Fortsetzung auf Seite 122
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYxMw==