Füssener Heimatzeitung Nr. 161
112 Füssener Heimatzeitung Nr. 161 vom August 2018 / II gesandt. Aber auch bei der Abreise vom Linderhof trennte sich der König nicht von ihnen. Sie mußten, schon halbwelk, auf eine der Berghütten getragen werden, in der er einige Tage zubrachte. Oftmals beklagte der König, daß er niemals für das Geschenk danken dürfe. „Aber sie will es ja nicht, daß ich es wissen soll, sie seien von ihr“, äußerte er dann. Er wusste alles von ihr Mit der Lilienspenderin stand der König in keiner persönlichen Beziehung. Er begnügte sich mit einer indirekten Beziehung, durch die er alles erfuhr, was die Dame betraf, sobald sie in Hohen- schwangau weilte. Die Personen seiner Umgebung mußten ihm die geringsten Kleinigkeiten von ihr berichten, mit wem sie verkehre, was sie gespro- chen, welch ein Kleid sie getragen, sogar die Haar- tracht mußte ihm geschildert werden. Er wußte den Tag ihrer Abreise und ihr nächstes Ziel, er wußte, woher ihre Gesellschafterin stammte, daß sie mit Vorliebe ein kleines Gasthaus an der Tiroler Grenze besuchte „Zum Schluxen“ genannt; er ließ sich von dem alten Besitzer die kleinen Geschenke zeigen, die sie ihm zuweilen machte und fand, daß die Freundlichkeiten, die der alte Mann von ihr erfuhr „dankenswert“ seien. Dafür erzählte er ihm, womit sie sich in Hohenschwangau beschäf- tigte, daß sie imWalde und amSeeufer viel zeichne und ließ sich das Fremdenbuch vorlegen, in welches sie ihren Namen eingetragen hatte. Sein Kabinettschef hatte schwer zu leiden Kabinettssekretär Ziegler hatte wegen der Dame manches zu leiden. Nachdem er die ersten Blu- mensendungen an Ludwig übermittelt hatte, begann die Sache unbequeme Seiten für ihn zu entwickeln. Des Königs Neugier Betreff der Dame peinigte ihn geradezu. Der Kabinettschef kam jeden fünften Tag zum Vortrag nach Hohenschwangau, traf wie gewöhnlich um zwei Uhr ein und wurde ungefähr um fünf zum König befohlen. Das Gespräch entwi- ckelte sich häufig folgendermaßen: „Haben Sie die Dame schon gesehen?“ „Nein Majestät, heute noch nicht; ich fuhr direkt auf das Schloß.“ „Werden Sie sich morgen sehen?“ „Ebensowenig. Ich reise schon früh um sechs zu- rück.“ „Ich sah sie schon“, konnte dann der König sagen, „sie hatte ein weißes Kleid mit blauen Schleifen an.“ Hatte Ziegler sie jedoch zufällig gesehen, so folgte unmittelbar die Frage: „Wovon haben Sie mit ihr gesprochen?“ Ziegler erzählte dann oft, was ihm gerade einfiel, da ihm vorrangig jene dienstlichen Angelegenheiten durch den Kopf gingen, die er demKönig vorzutragen hatte. Doch das interessierte den König in dem Moment zuerst nicht. Finstere Blicke Mit der Zeit wurde der König auf seinen Kabinetts- sekretär sogar eifersüchtig und das kam so: Lakaien berichteten ihm, dass Ziegler „mit der Dame ver- kehre, ihr bei dem Abendessen im Garten Gesell- schaft geleistet und ihr einige Besuche abgestattet habe, wenn er den nächsten Vormittag in Hohen- schwangau blieb“. Mit diesen Informationen ärgerte der König seinen Kabinettschef nun bei jeder sich ergebenden Gelegenheit. Als der König erfuhr, daß Ziegler bei seiner Ankunft der Dame auf dem Schlossberg begegnet und von ihr mit einem scher- zenden Zuruf begrüßt worden sei, empfing er ihn sichtlich verstimmt. Die gewohnte Frage erfolgte: „Haben Sie Ihre Freundin schon gesehen?“ Die Bezeichnung „Freundin“ war neu; der Kabinettschef bejahte die an ihn gerichtete Frage. „Sie soll ja stets eine außerordentliche Freude über ihr Kommen äußern“, fuhr der König spitz fort. Ziegler wusste nun, dass die Lakaien in der kurzen Zeit, die seit seiner Ankunft verflossen, schon wieder jenes un- bedeutende Ereignis rapportiert hatten. Er sagte kühl: „Es kann mir nur schmeichelhaft sein, wenn die Dame sich über mein Kommen freut.“ Der König warf ihm einen finsteren Blick zu. Sie kommt doch nur wegen Ihnen Dieser kleine Charakterzug war dennoch für sein ganzes Wesen bezeichnend. Ludwig II. wollte mit niemandem teilen, was er als etwas ihm allein Ge- hörendes betrachtete. Einstmals fragte er Ziegler direkt: „Nicht wahr. Die Dame kommt doch nur Ih- retwegen so oft hierher?“ Ziegler antwortete, dass er für die Dame einzig und allein Geltung habe, weil er Kabinettschef sei. „Wäre ich es nicht, so würde sie sich keinesfalls um mich kümmern.“ Mit dieser Antwort war der König offenbar befriedigt. Er fühlte sich geschmeichelt. Es berührte ihn auch angenehm, dass die Liliendame an einemWagen- Fortsetzung v0n Seite 111
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