Füssener Heimatzeitung Nr. 160

86 Füssener Heimatzeitung Nr. 160 vom August 2018 / I Ganz schön frech Eine seiner leidenschaftlichen Vorlieben war es, denWinter so geschickt wie möglich zu überstehen. Um ein billiges Obdach zu erhalten, leistete sich der „Buggel-Schnitz”, wie die alten Füssener ihn gerne nannten, „ein Stückchen”. In einem dieser Fälle, gab er sich als Schneider aus und vermutlich kassierte er von den Füssener Bürgern auf diese Art und Weise illegal Geld ein. Für diesen Betrug wurde er prompt von der Polizei eingesperrt. Da dachten sich die Polizisten, dass sie mal wieder einen guten Fang gemacht hatten und der gute Herr Schwarz nun einige Monate Sühne im Ge- fängnis ableisten würde. Aber nicht so der „Bug- gel-Schnitz”. Dieser freute sich, dass sein Plan aufgegangen war und er nun für die Wintermonate ein schönes Dach über dem Kopf hatte. Manche seiner Eulenspiegeleien machten die Runde. Daher ließ er sich stets etwas Neues einfallen. So gab er sich nicht nur als Schneider aus, sondern auch als Landvermesser. Die verlorengegangenen Originale Ja, diese Menschen waren zwar einerseits merk- würdig und obskur, andererseits trugen sie zum Heimatgefühl vieler Füssener bei. Manche von ihnen prägten sogar bestimmte Plätze in Füssen, denn sie hielten sich meistens am selben Ort auf und waren dort so prägnant und auffällig, dass man genau diesen Platz fortan ein Leben lang mit dieser Person verband. Der „Buggel-Schnitz“ Ein Bericht von Adelgunde Herz Wie es in jeder Stadt früher so war, gab es Leute, die einfach besonders auf- fielen. Es waren Menschen, die ungewöhnlich waren, die nicht als ganz normal galten und die in gewisser Weise aus dem bürgerlichen Rahmen fielen, Menschen, die aufgrund ihrer Andersartigkeit auffallen, Menschen, die man als Kind bestaunte, weil sie abenteuerlich waren, vor denen man manchmal ein bisschen Angst hatte, die das Leben aber auf jeden Fall bunter machten. Sie waren einfach richtige Originale. In den 30er Jahren war das in Füssen der „Buggel-Schnitz“. Heinrich Schwarz war sein bürgerlicher Name und er war in ganz Füssen bekannt. Gerade sie sind für die Prägung von Heimat von besonderer Bedeutung Früher waren solche Originale keine Seltenheit, sie waren in ihre Familien integriert und kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, solch einen Menschen zu separieren oder ihn gar in ein Heim zu stecken. Es war in gewisser Weise normal, dass es immer wieder Zeitgenossen gab, die aus der Rolle fielen. Dafür brauchte sich niemand zu schä- men und es gab auch nichts zu verbergen. Vielmehr wurden diese Menschen von der Gemeinschaft einer Familie, eines Dorfes oder einer kleinen Stadt mitgetragen. Heute gestaltet sich der Umgang mit dieser Erscheinung gänzlich anders. Den Men- schen ist es peinlich, ein Familienmitglied zu haben, das aus dem Rahmen fällt, und sie wollen mit ihm nicht in Verbindung gebracht werden. Ziemlich schnell wirdman als „verrückt“ angesehen, wenn man sich nicht innerhalb der vorgegebenen Normen bewegt und die Wahrscheinlichkeit, dass solche Menschen in Institutionen gesteckt und aus dem normalen Leben entfernt werden, ist ziemlich hoch. Dabei sind gerade sie es, die für die Prägung von Heimat von besonderer Bedeutung sind. An wen erinnern wir uns denn mehr, wenn wir an unsere Kindheit zurückdenken? An die Masse der nivellierten Bürger, die sich in ihrer An- gepasstheit kaum unterscheiden, oder ist es das Original, das völlig authentisch und ungeschminkt sich selbst lebte, ohne irgendwelchen Erwartungen entsprechen zu wollen. Die Originale sind es, über Serie: Füssener Originale

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