Füssener Heimatzeitung Nr. 160

hören der wilden Natur an, kom- men manchmal aber in die Dörfer und wirken dort Gutes. Das Wa- schen der Wäsche ist eine ihrer typischen Tätigkeiten und kenn- zeichnet sie als sagenumwobene Wasserfrauen, „Anguanas“– wie es in Südtirol heißt. In einigen Fällen erzählt die Sage auch, dass sie einen Bauern heiraten, doch das Glück wird von den Nachbarn geneidet. Die Herkunft der Saligen ist von einem Tabu belegt, ähnlich wie beim Schwa- nenritter Lohengrin. Bestimmte Fragen dürfen nicht gestellt wer- den (Name, Herkunft), sie dürfen nicht an den Haaren berührt wer- den, sie dürfen nicht geschlagen oder beschimpft werden. Die Form des Tabus kann in der Über- lieferung verschiedene Gestalt annehmen. Wird das Tabu ge- brochen, werden die Saligen in die Natur zurückgerufen und ge- hen mit großem Wehklagen. Eine Zeitreise mit Prof. Dr. Ulrike Kindl Das Mythologie-Wochenende am Frauensee bei Lechaschau/Tirol ist eine Veranstaltung, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit Sagen und Märchen des Al- penraums beschäftigt. Auf Ein- ladung von ElisabethWintergerst aus Füssen war beim 7. Mytho- logie-Wochenende am Frauensee Dr. Ulrike Kindl von der Universität Venedig zu Gast. Sie ist die be- deutendste Sagenforscherin im Alpenraum. Mit ihrem umfang- reichen Wissen konnte sie diese beiden Sagen aus dem Tannhei- mer Tal erschließen. Bekannt sind die großen Mysterien von Eleusis in Griechenland, die mit dem Gang der Göttin Persephone in die Unterwelt zu Hades verbun- den sind. Aus Trauer fühlen alle Pflanzen auf der Erde mit und ziehen sich zurück. Darin spiegelt sich ein Vegetations-Ritus, den es nicht nur im Mittelmeerraum gegeben hat, sondern in ganz Europa. Alle Blumen begleiten die Göttin auf ihrem Weg in die Unterwelt. Es wird eine große Wehklage um den Tod ange- stimmt. Im Vorderen Orient gibt es hier den Hirtengott Dumuzi, der auch mit dem griechischen Naturgott Pan identifiziert wird. Dumuzi ist der Geliebte und Ge- mahl der Muttergöttin Inanna. Nach dem Tod des Dumuzi in der Unterwelt werden seine Läm- mer, seine Zicken und Kitze, seine kleinen Eselskühe geraubt, sein heiliger Butterkrug ist zerschmet- tert, seine Lämmer und Kitze kla- gen jämmerlich und sein Hund jault in der wüsten Steppe. Seine Gemahlin Inanna weint bitterlich um ihn, bis er wieder aufersteht. Vorgeschichtliche Kultur in Namen erhalten Die Namen Schtutzete Mutze, Gstutzte Mutz oder Stuzza Muzza sind nun nichts anderes, als eine Verballhornung des Dumuzi. Dies lässt darauf schließen, dass es auch in den Alpen, ja im Tann- heimer Tal, einen Vegetationsritus gegeben hat, der ein großesWeh- klagen enthält, wenn sich die 154 Füssener Heimatzeitung Nr. 160 vom August 2018 / I Fortsetzung von Seite 153

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