Füssener Heimatzeitung Nr. 160

104 Füssener Heimatzeitung Nr. 160 vom August 2018 / I ist nun freier!? Um diese Frage beantworten zu können, müsste man sich ganz und gar empa- thisch auf die damalige Welt ein- lassen, auf die Ängste und Nöte der Menschen, auf den tiefen Glauben, die innigliche Liebe zu Gott, zu Jesus und Maria. Das können wir uns heute alles nicht mehr vorstellen. Aber das war ein Reichtum, der uns arm er- scheinen lässt. Abt Hausmann sprach wahre Worte, als er sagte, dass heute nur alle immer damit beschäftigt sind, zu schauen, was der andere bekommen hat und sie nicht. Neidgefühle, Ver- gleichen, Unzufriedenheit, ein ständiges Kreisen um sich selbst. Für den Heiligen Benedikt war zum Beispiel Besitz eines der größten Übel. Daraus resultierte folgende Regel: Vor allem dieses Laster (= Eigenbesitz) muss mit der Wurzel aus dem Kloster aus- gerottet werden. Demut, Gehorsam Die Ordensregeln proklamieren Werte, die den Mönchen wichtig waren, um sich zu vervollkomm- nen und dem Göttlichen näher zu kommen, sicher auch, um ihr Zusammenleben zu gestalten. Zum Großteil sind es Werte, die heute rar geworden sind und zum Teil sogar kritisch gesehen oder belächelt werden. Zu diesen Werten gehören zum Beispiel die Demut und der Gehorsam. Der erste Schritt zur Demut ist Ge- horsam ohne Zögern - ein Ge- horsam, der auf Freiwilligkeit be- ruht, ein Gehorsam, der bewusst geschieht, um zu lernen, um zu wachsen. Benedikt erkannte schon damals, im 6. Jahrhundert, dass die Menschen gerne die fal- schen Wege wählten. „Es gibt Wege, die den Menschen richtig erscheinen, die aber am Ende in die Tiefe der Hölle hinabführen.“ Und er sah, dass der Weg zu Gott eng ist und für viele Menschen zu eng. Wir kennen alle den Aus- spruch von Jesus: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Kritikfähigkeit Ein heute ebenso vergessener Wert war die Kritikfähigkeit, sich etwas sagen zu lassen, sich kor- rigieren zu lassen. Heute will kein Mensch mehr kritisiert wer- den, heute hasst man denjeni- gen, der das tut. Und somit haben die Menschen absolut kein Kor- rektiv mehr und entarten zuneh- mend. Auch da waren uns die Benediktiner voraus. Sie konnten sich unterordnen, sich unter ein größeres Ganzes stellen und da- mit Großes schaffen. Sie konnten gehorchen und sich demütig hin- geben. Benedikt fragte seine Mit- menschen: „Bist du ein Mensch, der sich geben will?” Das hört sich heute alles ein bisschen ver- altet und verstaubt an, eben wie aus dem Mittelalter. Die Neuzeit „tickt” ganz anders. Aber tickt sie wirklich besser? Funktioniert das Miteinander dadurch wirklich besser, mit demSmartphone am Ohr, dem überdimensionierten Privatismus und dem grenzen- losen Konsum? Wohin hat sich unsere Kultur entwickelt im Zeit- alter des Futurismus? Und wo ist dabei unsere Seele und unser Herz geblieben? Welche drei Din- ge würden wir mitnehmen, wenn wir vertrieben würden? Warum Ordensregeln? Zu guter Letzt führte der Muse- umsleiter und Hauptverantwort- liche des Abends, Dr. Anton Eng- lert, in die Ausstellung ein. Er bedankte sich für die große Mit- hilfe bei allen Beteiligten, der Volkshochschule, dem Benedik- tinerorden in Augsburg, der Spar- kasse, den Pfarreiengemeinschaf- ten Füssens, dem Franziskaner- kloster und vielen mehr. Es ging ihm auch um die Frage, warum sich Menschen unter eine solche Ordensregel stellten? Diese Frage, ob man dienen sollte, hätte sich in der damaligen Zeit eigentlich nicht gestellt, sondern wemman dienen musste. Vor diese Frage Fortsetzung von Seite 103

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