Füssener Heimatzeitung Nr. 157

75 Füssener Heimatzeitung Online-Vollversion Nr. 157 vom Juni 2018 Kaffeetrinken mit Johannes Heesters „Es ist der 12. Oktober 2010, ein schöner Herbsttag. Die Sonne steht noch einmal hoch am mär- chenhaft blauen Himmel und läßt vergessen, dass sie eigentlich nicht mehr ihre sommerliche Kraft hat. Irgendwie ein Sinnbild für diesen Grandseigneur der leich- ten Muse, wie Bayerns Minister- präsident Horst Seehofer Johan- nes Heesters genannt hat. Er gilt als Schauspiel-Urgestein mit sei- nemberühmten Tenor und seinen unzähligen Rollen. Der älteste aktive Schauspieler der Welt, so steht er im Guinnessbuch der Rekorde. Auch er leuchtet immer noch am Himmel, wie die Sonne heute über demStarnberger See, wo er mittlerweile seit 1975 in seiner Villa ganz in der Nähe von Schloß Berg und der Todesstelle von König Ludwig II. lebt. Im Herbst ist alles von einer ganz eigentümlichen Ruhe umgeben,“ berichtet Hardy in alten Aufzeich- nungen und später schreibt er: „Der See liegt außergewöhnlich ruhig da, die Sonne ist milder als zu anderen Jahreszeiten, und niemand nimmt Notiz von dem weißhaarigen Mann, der dort oben am Hang, versteckt hinter hohen Büschen und Bäumen, auf der Terrasse sitzt und mit seinen langgliedrigen Fingern eine Tasse Kaffee hält. Ich ahne, dass es keine leichte Begegnung wird.“ Ihm ist es schon etwas mulmig in der Magengegend, als er vor dem Haus steht und auf den Klingelknopf drücken will. Aber da hört er schon das Sum- men des automatischen Türöff- ners. Simone Rethel, Heesters Frau, die er gerne „Poppie“ nennt, hat ihn wohl schon von weitem kommen sehen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. „Wie schmeckt die Pizza im Paradies“ Hardy hat sich schon lange auf dieses Interview vorbereitet, wel- ches das letzte große Interview vor Johannes Heesters Tod, ziem- lich genau ein Jahr später, werden sollte. Immer noch steht er auf der Bühne, mittlerweile seit 90 Jahren, und die Älteren unter uns, die schon sehr viel Älteren, die können sich noch gut an ihn er- innern, den Schwarm aller Frauen. Schon weit vor den Beatles sind die Frauen reihenweise in Ohn- macht gefallen, wenn Johannes Heesters auftrat. „Jopie“, wie er von so vielen liebevoll genannt wurde, war ein Frauenheld, liebte es mit seinem unwiderstehlichen Charisma den Charmeur zu spie- len, in Frack und Zylinder natür- lich, versteht sich, und ein weißer Seidenschal unterstrich dieses Outfit noch mit einer ganz be- sonderen Note. Ja, so kannte man ihn und so wollte man ihn, immer gut gelaunt, galant, ein Mann von Welt. Die Auszeich- nungen, die er bekam, sind nicht mehr zu zählen. Auch Hardys  Johannes Heesters in seinen späten Jahren - Bild copyright Simone Rethel-Heesters Fortsetzung auf Seite 76

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